■ Der populäre Konzertführer: Krachkünstler & Prediger
Der populäre Konzertführer
Krachkünstler & Prediger
Tristes Regenwetter und ein kulturelles Sommerloch — finstere Aussichten für den passionierten Konzertgänger. Auswanderwütigen sei aber empfohlen, ihre Reisepläne zumindest auf morgen zu verschieben und heute abend das fünfte „Überschall“- Festival im Aladin auf jeden Fall mitzunehmen. Eine genre-übergreifende, wüste Mischung erwartet das Publikum.
Um 19 Uhr beginnt das Festival sein Programm mit postmodernem Rock'n'Roll: Aus Bremen, Nienburg und Oldenburg kommen die Mitglieder von „Tuned Dum Dum“. Die Lokalmatadoren bringen, nach einigen Umbesetzungen, in diesem Sommer ihre zweite Platte heraus. Schwerer verdaulich sind da schon die Gitarren-Gewitter von Caspar Brötzmann. Der Frontmann des Berliner Trios „Massaker“ malträtiert aufs Fürchterlichste die Sechssaitige, wobei sich der Aktionskreis des Krachkünstlers auf den ganzen Gitarren-Korpus erstreckt. Aus Feedback und Verzerrtem entstehen Phon-Orgien von beänstigend-brachialer Schönheit.
„Consolidated“ nennen sich drei Weiße aus San Francisco, die viel und gern reden. Ihr politischer HipHop lebt von engagierten Texten und tanzbaren Beats. Die Amerikaner predigen nicht nur: Zwischen den Stücken darf das Publikum auch selbst mal zum Mikro greifen und mitdiskutieren — ein Ritual, das bei keinem Auftritt fehlt.
Headliner sind die New Yorker „Helmet“, deren wuchtige Gitarren- Attacken im letzten Winter ganze Diskos zum kollektiven Headbangen animierten. Live sind die vier so kraftvoll wie auf der Tonkonserve, wenn sich auch der Roland auf dem Marktplatz mehr bewegt als Hamilton & Co. auf der Bühne.
Ist der Nacken bis Samstagabend auskuriert: In der WüsteStätte gibt es in gewohnt familiärer Atmosphäre das Vinyldebüt von Colour Red zu feiern. Das Hanseaten-Trio macht zwar im Grunde stinknormalen Rock — könnte aber mit der Live-Energie noch ganz andere Musik machen und weniger langweilig wirken.
Ausschlafen ist Sonntag wieder nicht drin. Um 15 Uhr lockt ein weiteres Konzert in der Schlachthof- Arena. Englischsprachige Rockmusik mit Balladen und fetzigen Abgehnummern verspricht das Bremer Sextett „Dancing In Minor“. Wie immer umsonst und draußen, bleibt nur zu hoffen, daß bis dahin mal wieder die Sonne lacht.
Am Dienstag abend kommen dann die Freunde ruhiger, aber elaborierter Klänge zum Zuge: In der Kunsthalle konzertiert der spanische Gitarrenvirtuose Manuel Barreuco, dessen muntere Ausflüge zwischen Jazz und Klassik auch Puristen beider Richtungen überzeugt. Und wenn dann immer noch nicht die Sonne scheint, kann man ja imernoch auswandern. L.R.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen