: Der „neue Vater“ ist nur ein Medienereignis
■ Bremer Juristin gegen neues Sorgerecht: Nur zwei Prozent der Männer kümmern sich wirklich um ihre Kinder
Die „neuen Väter“ wollen für ihre nichtehelichen Kinder nicht mehr nur Alimente zahlen, sondern beanspruchen auch das Sorgerecht. In der taz vom 7.1. wurde der Fall eines Hamburgers geschildert, der die Betreuung des Säuglings samt Erziehungsgeld übernehmen wollte, sich aber mit einer Rechtsprechung aus der „Dienstmädchenzeit“ herumschlagen mußte: Der Mann bekommt das Sorgerecht (bisher Voraussetzung für Erziehungsgeldanspruch) nur, wenn er das Kind für „ehelich“ erklären läßt. Über die Folgen für die Mutter und Perspektiven der Sorgerechtsregelung sprach die taz mit der Bremer Rechtsanwältin Jutta Bahr-Jendges.
taz: Bisher liegt das Sorgerecht für nichteheliche Kinder grundsätzlich bei der Mutter. Wenn der Vater einen rechtlichen Zugang haben will, muß er es für ehelich erklären lassen. Was bedeutet das für die Mutter?
Jutta Bahr-Jendges: Die Ehelicherklärung bedeutet für die Frau, daß sie alle Rechte verliert. Weshalb ich mich immer schon gewundert habe, warum Frauen das überhaupt tun.
Wenn die Mutter damit einverstanden ist, daß der Vater das Kind für ehelich erklären läßt — welche Möglichkeit hat sie, diese Entscheidung rückgängig zu machen?
Keine. Deshalb gibt es auch wenig Frauen, die das tun, und wenn, denke ich, sind sie schlecht beraten gewesen.
Heißt das auch, daß die Frau, wenn die Beziehung in die Brüche geht, kein Anrecht auf das Kind hat?
Wenn das Kind vom Vater für ehelich erklärt wurde, gibt es kein Anrecht für Frauen. Aber diese Fälle haben eigentlich innerhalb der rechtlichen Auseinandersetzung wenig Bedeutung, weil ihre Zahl statistisch so gering ist, daß sie für mich keine Rolle spielen, wenn es um die Frage geht: Was wollen wir als Regelfall?
Das Sorgerecht sollte bei der Mutter bleiben?
Das würde ich vorziehen, denn es entspricht der gesellschaftlichen Realität. Kinder werden zu mindestens 98 Prozent von Frauen versorgt, und ich sehe keinen Anlaß,
Jutta Bahr-Jendges.
die zwei Prozent, in denen tatsächlich Kinder nicht von Frauen versorgt werden, zu einem rechtlichen Ereignis zu machen. Das ist sicher ein Medienereignis, daß Väter wiederum Rechte einklagen. Aber es geht nur darum, daß Väter Entscheidungsbefugnis über Kinder bekommen, ohne daß es in irgendeiner Weise mit Pflichten verbunden ist.
Nun sind diese zwei Prozent der Väter aber vermutlich gerade diejenigen, die sich tatsächlich um Kinder kümmern wollen. Es geht ja auch um das Erziehungsgeld, das nur beanspruchen kann, wer das Sorgerecht hat.
Halte ich auch für ein absolutes Medienereignis ohne irgendeinen realen Hintergrund. Väter beantragen in der Regel kein Erziehungsgeld, weil es viel zu wenig ist. Das heißt, es sind bisher immer die Frauen, die den Rückzug antreten, die das Erziehungsgeld nehmen, weil das andere völlig unwirtschaftlich ist. Nach der neuesten Änderung des Erziehungsgeldgesetzes können Väter das Erziehungsgeld ohnehin in Anspruch nehmen. Das gilt für alle Kinder, die nach dem 31.Dezember 1991 geboren werden.
Und die, deren Kinder davor geboren wurden?
In den wenigen Fällen, in denen Väter sich tatsächlich um Kinder kümmern, können sie auch Rechte bekommen: aus der innerfamiliären Verteilung mit den Frauen, die immer großzügig Rechte abgegeben haben, sei es durch Verträge bei Notaren oder privat unter den Paaren. Es geht darum, daß Väter sich erstmal bemühen müßten, tatsächlich Beziehungsarbeit, Betreuungsarbeit zu leisten. Das könnten sie dann wunderbar als Waffe einsetzen. Dann würden sie auch die Kinder bekommen, auch vor Gericht. Das wollen Väter aber nicht.
Sondern?
Die Auseinandersetzung über das geplante gemeinsame Sorgerecht bei Ehescheidungen zeigt, daß Väter zwar Rechte, aber keine Pflichten wollen: Die Kinder leben in der Regel weiter bei der Mutter, der Vater will aber Entscheidungsbefugnisse behalten. In den Fällen, wo das Kind tatsächlich beim Vater lebt, ist der in der Regel gegen ein gemeinsames Sorgerecht.
Die Sorgerechtsregelung für unverheiratete Eltern weicht von der für verheiratete Paare ab, wo beide das Sorgerecht haben.
Nun darf man einen Sachverhalt nicht umkehren. Der Staat gewährt der Ehe besonderen Schutz mit Berechtigungen für Väter, die nur Rechtsverhältnisse klären, niemals aber Realbeziehungen darstellen. Das kann ja kein Grund sein, solche falschen Sachverhalte zur Grundlage auch für nicht verheiratete Paare zu machen. Man kann nicht ein Privileg, das der Ehe von einem patriarchalischen Staat gegeben worden ist, aufprägen auf eine neue Lebensform.
Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Regelung des Sorgerechts für Unerheiratete für verfassungswidrig erklärt...
...jetzt, wo es um Männerrechte geht. Das ist auch eine Zeitgeistgeschichte, daß es nur noch um Männerechte geht im Familienrecht, ungeachtet der gesellschaftlichen Realität. Ideal würde ich mir vorstellen, daß eine Entscheidungsbefugnis von Elternteilen denen gegeben wird, die tatsächlich Kinder versorgen, völlig geschlechtsneutral, egal ob Frau oder Mann. Fragen: asp
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