■ SPD-Mitgliederentscheid: Der letzte Witz
Die Forderung des brandenburgischen Bundestagsabgeordneten Stephan Hilsberg, bei den Berliner Sozialdemokraten einen Mitgliederentscheid über die Frage einer Großen Koalition mit der CDU herbeizuführen, ist absurd – wenn nicht gar ohne Sinn und Verstand. Drei Tage nach der Wahl die eigenen Hammel über die zudem noch verquere Lage im groben und ganzen zur Richtungswahl zu rufen, bedeutete einmal mehr, daß die Partei vor, während und nun noch nach der Landtagswahl nicht wußte, was sie will. Worüber sollen denn die Mitglieder abstimmen, gibt es doch augenblicklich – außer viel Streit und Katerstimmung – keine inhaltlichen Positionierungen der schlaffen Genossen? Irgendwie mitregieren wollen sie im Senat, heißt es. Wer will das nicht. Aber das genügt nicht. Da ist es nur vernünftig, daß SPD-Landeschef Detlef Dzembritzki auf den Faktor Zeit setzt und erst mal hören will, was Diepgen so zu bieten hat. In Klausurberatungen und Sonderparteitagen soll gleichzeitig darüber gestritten werden, wohin die Reise geht. Erst so entstehen Inhalte, eine Programmatik und ein Ziel.
Die SPD sollte den Herdenauftrieb ihrer Mitglieder zur internen Wahlurne vergessen, denn sie macht sich lächerlich und unwählbar dazu. Aus dem Beispiel Bremen könnte sie lernen, daß man es so nicht machen darf: Dort haben sich die rechten SPDler gegen die Reformer und für die Große Koalition entschieden. Seither sind die SPD-Linken – aber vor allem ihre Wähler – sauer. Beide setzten vor der Wahl auf Rot-Grün und gucken nun in die Röhre. Damit bei der nächsten Landtagswahl alles klarer zugeht, wird gleich grün oder schwarz gewählt, witzelt man in Bremen. Von der SPD jedenfalls witzelt keiner mehr. Rolf Lautenschläger
siehe Meldung auf Seite 22
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