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■ Der konservative japanische Politiker Ishii glaubt:„Japan sucht den Mittelweg“

Hajime Ishii, 59jähriger Unternehmer aus Kobe, verließ im Juni 1993 die LDP und trat der neokonservativen „Erneuerungspartei“ bei. Er leitete unter Premier Hosokawa die Parlamentsgeschäfte der Regierung und war anschließend bis Juni Innenminister. Nach knapp dreißig Jahren als Abgeordneter der Regierungspartei befindet sich Ishii heute in der Opposition.

taz: Was hat sich in den zehn Monaten, in denen Sie unter dem Reformerbanner regierten, verändert?

Hajime Ishii: Wir haben es immerhin geschafft, ein neues Wahlgesetz zu verabschieden. Das alte war seit 70 Jahren in Kraft und versorgte die große Zahl von konservativen Abgeordneten aus den ländlichen Regionen. Mit dem neuen Gesetz, das pro Wahlkreis nur ein Mandat zuläßt und die Wahlkreise nach den Bevölkerungszahlen neu ordnet, ist der Generationswechsel vorprogrammiert. Egal wer gewinnt – die Hälfte der Abgeordneten im Parlament wird bei den nächsten Wahlen ausgewechselt werden.

Niemand weiß, wann Neuwahlen stattfinden. Regulär kann die neue Koalition noch drei Jahre regieren. Werden die Reformen solange stillstehen?

Die LDP ist immer noch eine konservative Partei, die Veränderungen ablehnt. Insofern ist denkbar, daß die Reformtendenz zeitweilig gebremst wird. Doch Japan ist ein relativ stabiles Land. Wir brauchen deshalb keine revolutionären Maßnahmen. Das Volk wünscht sich heute eine konservativ-liberale, eher progressive Koalition, also auch unter Einschluß der Sozialdemokraten.

Hat sich der Reformwille der Bevölkerung nicht inzwischen verbraucht?

Die Japaner wollen sowohl Teile der Tradition bewahren als auch drastische Veränderungen. Sie sind gegen Korruption und das viele Geld in der Politik. Sie wollen die starke Zentralmacht abschaffen – deshalb die Popularität der Deregulierungsmaßnahmen. Sie wollen, daß Japan nicht immer den Amerikanern gehorcht und eine eigene Außenpolitik vertritt. Die japanische Politik steht also nach wie vor vor großen Aufgaben.

Die alte Koalition wollte eine aggressivere Außenpolitik und scheiterte am Bündnis mit der Sozialdemokratie.

Auch in meiner Partei gibt es viele Tauben. Die Japaner halten immer noch am Pazifismus fest, weil bei vielen die Angst bleibt, daß sich die Fehler des Nationalismus wiederholen könnten. Schon weil Japan ein isoliertes Land bleibt, fehlen nationalistische Tendenzen, wie sie sich etwa in Europa als Reaktion auf die europäische Vereinigung ausbreiten. Deshalb war es ein Fehler des Generalsekretärs meiner Partei, Ichiro Ozawa, das Konzept von Japan als einer „normalen Nation“ zu propagieren. Die Bevölkerung lehnt diese Idee ab.

Wie wird die neue politische Ordnung in Japan aussehen?

Nachdem der Streit um den Sozialismus wegfällt, sucht Japan – wie alle anderen Länder auch – einen neuen Mittelweg in der Politik. Das erlaubt allen Parteien, flexibel miteinander umzugehen. Auf jeden Fall wird es in Japan nicht mehr eine große Partei geben, die allein und ewig regiert. Darin sehe ich den entscheidenden Fortschritt. Die Gespräche führten Chikako

Yamamoto und Georg Blume

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