: Der kleine Trick mit der Drehung
Nachgeführte Solaranlagen bringen einen deutlichen Mehrertrag. Ob dieser jedoch eher bei 30 oder bei 45 Prozent liegt, hängt von der Sichtweise ab. Ob eine Nachführung tatsächlich sinnvoll ist, bedarf aber stets einer individuellen Prüfung
VON BERNWARD JANZING
Eine solche Vergleichsmöglichkeit gibt es selten: In Rötenbach im Hochschwarzwald führt Leodegar Knöpfle seine Solaranlage stetig der Sonne nach. 4,14 Kilowatt leisten die Module, die sich jeweils zum hellsten Punkt des Himmels ausrichten – bei klarem Himmel also senkrecht zur Sonne. Wenige Meter daneben steht eine weitere Anlage, nahezu identisch: Gleicher Modultyp, gleiche Leistung – nur ist sie fest auf dem Hausdach montiert. Knöpfle kann also exakt bilanzieren: „Die Nachführung bringt mir einen Mehrertrag von 45 bis 50 Prozent.“
Das ist mehr, als jede Theorie verspricht. Und Knöpfle ist nicht allein mit solch guten Zahlen. Auch die Firma Deger Energie im württembergischen Schopfloch, Anbieter von Nachführanlagen, rechnet mit vergleichbaren Mehrerträgen: 40 Prozent werden in den Firmenprospekten ausgewiesen – während Firmenchef Artur Deger darauf verweist, dass es „in der Praxis eher noch mehr“ seien.
Wie sind solche Erträge möglich? Werner Knaupp, Wissenschaftler des Stuttgarter Ingenieurbüros PV-Plan, und einstiges Gründungsmitglied am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart, ist entsprechend skeptisch: „Mehr als 30 bis maximal 35 Prozent Mehrertrag sind in unseren Breiten kaum realistisch, wenn man eine Nachführung mit einer optimierten fest installierten Anlage vergleicht.“
Auch am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hat Wissenschaftler Christian Reise die möglichen Mehrerträge berechnet – und kommt auf ähnliche Zahlen. So liege die Einstrahlung in Deutschland auf einer stets senkrecht zur Sonne ausgerichteten Fläche in der Jahressumme etwa 25 Prozent höher im Vergleich zu einer optimal um 30 Grad nach Süden geneigten Fläche. Ein paar wenige Prozent mehr könne man nun herausholen, wenn man nicht stur nach der Sonne führt (astronomische Nachführung), sondern die Module stets auf den hellsten Punkt am Himmel ausrichtet. Das hat zum Beispiel zur Folge, dass die Module bei völlig bedecktem Himmel horizontal stehen.
Und dann, erläutert Reise, sei in der Praxis noch ein weiterer geringer Mehrertrag aufgrund eines leicht erhöhten Wirkungsgrades möglich: Weil die nachgeführten Module eine höhere Einstrahlung pro Fläche erhalten, arbeite das System in einem höheren Wirkungsgradbereich des Wechselrichters. All das zusammen könne in der Summe „höchstens 35 Prozent Mehrertrag“ bringen, rechnet der Freiburger Wissenschaftler vor.
Und was ist nun mit den Praktikern, die von Mehrerträgen von über 40 Prozent berichten? Für den ISE-Forscher kann es dafür nur eine Antwort geben: „Das schafft man nur, indem man noch andere Effekte nutzt, die nicht direkt mit der Nachführung zu tun haben.“
Genau das passiert – mitunter sogar ohne Wissen der Betreiber. Besonders nahe liegend: die Auswirkungen der Modultemperatur. Eine dachintegrierte Anlage heizt sich im Sommer stärker auf als eine nachgeführte Anlage die naturgemäß gut hinterlüftet ist. Da nun klassische Siliziumzellen mit steigender Temperatur an Wirkungsgrad einbüßen, wirkt sich das auf den Ertrag aus. „Ein paar Prozent kann das ausmachen“, sagt Ingenieur Werner Knaupp.
Bleibt die Frage: Was kostet die Nachführung? Praktiker Knöpfle berichtet von 10.000 Euro Mehrkosten, die durch die Nachführung entstanden, seien. Bei Kosten in Höhe von 25.000 Euro für den Rest der Anlage entspricht das einem Aufschlag von etwa 40 Prozent. Da im Gegenzug der Ertrag aber um 45 bis 50 Prozent gesteigert werde, verbessere die Nachführung die Rentabilität.
Der Stromverbrauch für die Nachführung – darüber herrscht inzwischen unter Praktikern wie Wissenschaftlern weitgehender Konsens – ist vernachlässigbar. Denn er liegt im Vergleich zum Ertrag im Promillebereich. „Eine 2-Kilowatt-Anlage von uns braucht im Jahr gerade mal 2 Kilowattstunden Strom“, rechnet Unternehmer Deger vor.
Allerdings wird die Formulierung „wartungsfrei“, die von Herstellern nachgeführter Anlagen oft zu hören ist, in der Fachwelt kritisch gesehen. Ingenieur Knaupp hält es für unvermeidbar, dass eine Nachführung zumindest einen geringfügig erhöhten Überwachungsaufwand erfordert. Und auch beim Freiburger ISE ist man in diesem Punkt eher skeptisch – denn bewegliche Teile sind immer eine potenzielle Fehlerquelle.
Bleibt die Frage, wohin sich der Markt für Nachführanlagen künftig entwickeln wird. Man beobachte zwar eine „sehr dynamische Technologieentwicklung“, sagt Carsten Körnig, Geschäftsführer der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS). Doch seriöse Prognosen traut sich auch der Branchenverband nicht zu. Zumal die Frage, ob eine Nachführung sinnvoll ist oder nicht, stets einer individuellen Prüfung bedarf. So benötigen Freilandanlagen je Kilowatt zum Beispiel eine etwas größere Grundfläche, um eine Eigenverschattung auszuschließen.
Darüber hinaus ist die Entscheidung für oder gegen eine Nachführung zugleich auch eine Frage der Optik – weshalb in jüngster Zeit einige Solarfreunde bereits auf Distanz zur Nachführung gehen. Denn zumeist ragen die Module dieser Anlagen höher empor als bei klassischen Freiland-Solarparks – sie wirken damit ungleich wuchtiger. „Wir sind froh um jede Anlage, die nicht als Nachführanlage gebaut wird“, sagt daher ein Stratege der Solarbranche hinter vorgehaltener Hand. Denn er fürchtet um die Akzeptanz der Solarenergie: „Es könnten uns lähmende Diskussionen drohen, wie wir sie bei der Windkraft erleben.“