■ QUERBILD: Der kalte Finger
Alles fängt so gut an: Da sind die Lichter einer Großstadt, vielversprechend, weil alles möglich ist, auch Schrecken und wirkliches Geheimnis. Da sind Figuren, die bizarre Berufe ausüben, die viel übers Jetztsein sagen dürften. Und da ist ein gruseliger Mörder, der fast schon Lämmerschweigen-Qualitäten haben könnte. Und dann geht es los: Conny (Gruschenka Stevens) macht die schnelle Mark in einer Telefonsex-Zentrale und jobbt in einer Klinik. Zwischen den Krankenbetten verehrt der liebe Notarzt (Dominic Raacke) sie. Auch am Hörer hat sie einen Verehrer: eine Stimme, die auf den Namen „kalter Finger“ hört. Zu spät ahnt Conny, daß der kalte Finger ein schlimmer ist und ihre Ideen in tödliche Tat umsetzt. Mit ihren Befürchtungen steht Conny allein da. Kollegin Bibi (Sophie Rois) freut sich eher über jede Mark, und Herr Doktor glaubt nichts.
Ralf Huettner, der schon so gute Filme wie Der Papagei und solche Filme wie Voll normaaal drehte, kommt mit seinem Thriller den überatlantischen Vorbildern in einem nahe: der Spannung. Das Entwickeln von spannenden Charakteren ist dagegen weniger seine Stärke. Wenn er Glück hat, bringen die Darsteller das nötige mit – wie der Berliner Volksbühnen-Star Sophie Rois, die eine wunderbar runde Mischung aus verkommener Luschigkeit und naiver Gier verkörpert, Kabarettistin Gayle Tufts als Sexphone-Chefin, oder der Darsteller des Bösen, Aktionskünstler Flatz, dessen Lederzylinder auf der documenta aber noch spannender waren. Huettners größtes Problem ist seine Hauptfigur und sein verachtender Blick auf sie. Natürlich nimmt diesem Girlie keiner irgendeine Befürchtung ab. Wer sich durchgehend, und noch im größten Horror, so perfekt auf blöd, aber sexy zurechtstylt, braucht sich nicht wundern, wenn nur der Mörder das Resultat ernst nimmt. Er nimmt nämlich einfach das innere und äußere Styling des Püppchens beim Wort. Gruschenka Stevens spielt die Fantasie des Regisseurs so perfekt, so blond, daß sie zur Mittäterin, zur Schwachstelle des Films wird. Letztlich ist nämlich egal, was um sie herum passiert. Es ändert nichts in ihr, an ihr. Leer bleibt leer. So ist der Schrecken zwar da, aber nicht das Geheimnis. Thomas Plaichinger
Aladin
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