: „Der hat zuviel Angst“
■ Keiner seiner Kumpel traut Lars Christiansen die Mordbrennerei zu
Wer nach ihm fragt, erhält zur Antwort nur Stereotype: Unauffällig, schüchtern, ruhig sei er. Weder Eltern, Lehrer noch Arbeitgeber haben an ihm etwas auszusetzen. Er macht problemlos seinen Realschulabschluß, fängt eine Lehre als Einzelhandelskaufmann an. Geboren am 18.8.1973. Ein großer, dunkelblonder Junge, mit glattem, verschlossenem Gesicht. Auch seine Familienverhältnisse wären ganz unauffällig, wäre da nicht der frühe Tod der Mutter. Sie stirbt, als er zehn ist. Doch auch zu seiner Stiefmutter und seinem Vater hat er guten Kontakt, hält ihn selbst dann noch, als er schon eine eigene Wohnung hat.
Seine vier Wände in Mölln schmückt er mit Reichskriegsflagge und anderen Nazisymbolen. 1988 hat er sich der rechten Szene angeschlossen, läuft mit geschorenen Haaren und Skinkluft herum. Doch mit rassistischen Sprüchen hält er sich sehr zurück, und als ihn ein Lehrer auf seine Glatze anspricht, sagt er bloß: Das ist Mode. Nur gegenüber dem Vater gibt er zu, daß ihn Ausländer ärgern. Auch da wieder Stereotype: Sie nähmen den Deutschen doch immer die Wohnungen und die Arbeit weg.
„Ich habe alles mögliche versucht, ihn auf den richtigen Weg zu führen“, sagt der Vater. Doch Lars geht seine eigenen. Abends fährt er mit seinem Polo häufig zu Pitti nach Gudow. Der ist ganz anders als er: ein Sprücheklopfer und Möchtegernführer. Doch er hat die gleiche Einstellung, das verbindet. Sie hören Skinmusik, bei Texten wie: „Stolz, stark, arisch und rein, absolut stolz drauf, weiß zu sein“, fühlen sie sich deutsch und gut. Die anderen sind „Menschen dritter Klasse“.
Bei den Überfällen auf die Flüchtlingsheime in Gudow und Kollow macht Christiansen nicht mit. Es ist ihm zu heiß, und er warnt Peters, daß so etwas wirklich gefährlich sei, weil dabei Menschen draufgehen könnten. Doch nach der Rostock-Randale will er sich in Mölln umsehn, um rauszukriegen, was man da gegen Ausländer unternehmen könnte. Wie jeder in der Kleinstadt kennt er die türkischen Familien, die seit Jahrzehnten dort wohnen. Als er festgenommen wird, können es seine Kumpel kaum fassen. „Der hätte doch viel zuviel Angst davor“, behaupten sie, und: „Der hat sich doch immer zurückgehalten.“ Christiansen sagt nach der Mordbrennerei, er habe niemanden umbringen wollen.
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