piwik no script img

Der große Bluff des U. Steger in Sachen ALKEM

■ Die angekündigten „Auflagen und Verbote“ des hessischen Wirtschaftsministers Steger gegen die Hanauer Plutoniumfabrik ALKEM kommen den Interessen der Alkem–Manager auf das Trefflichste entgegen / Stegers Aktion widerspricht der SPD–Beschlußfassung

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Das, was Hessens Wirtschaftsminister Steger „in Sachen ALKEM genehmigen will, das ist die Plutoniumwirtschaft“, erklärte der Atomexperte des Darmstädter Öko–Instituts, Michael Sailer. In der Tat entspricht die angeblich so schmerzliche Auflage des Ministers an die ALKEM–Geschäftsführung, demnächst nur noch sogenannte schwach plutoniumhaltige Mischoxyd–Brennelemente (MOX) für den Einsatz in Leichtwasserreaktoren herstellen zu dürfen, exakt dem Stand der Erfordernisse in der Atom– und Plutoniumwirtschaft. Denn die mit bis zu 35 % mit Plutonium angereicherten Brennelemente für den Schnellen Brüter in Kalkar, mit deren Herstellung die ALKEM befaßt war, sind längst komplett fertiggestellt. Für die von den Kalkar–Betreibern beantragten 444 Vollasttagen, die der Reaktor angeblich einmal fahren soll, hat die ALKEM die fertigen Brennelemente bereits im sogenannten „Bundesbunker“ liegen. Die Zahl der fertiggestellten Plutonium– Brennelemente, so die Schätzungen des Öko–Instituts, würden den Reaktor, so er doch noch ans Netz gehe,für mindestens drei bis vier Jahre am „brüten“ halten, denn „kein AKW der Welt fährt täglich Vollast“. Die ALKEM kann demnach überhaupt kein Interesse mehr daran haben, in den nächsten Jahren noch weitere Plutonium–Brennelemente (MOX–Brennelemente mit hohem Plutonium–Anteil) herzustellen, weil in den restlichen BRD–Atomkraftwerken diese Brennelemente aus physikalisch– technischen Gründen nicht zum Einsatz kommen können. Gleichzeitig entsprechen die „Auflagen“, die Steger zur Genehmigungsbedingung gemacht hat, exakt den Produktionswünschen der ALKEM für die nächsten zehn Jahre. Die „gestattete“ Herstellung der nur schwach mit Plutonium angereicherten MOX– Brennelemente (Plutonium–Anteil von 3% bis 5%) macht die ALKEM - neben der RBU - zum wichtigsten Brennelemente–Lieferanten für alle in der BRD betriebenen Leichtwasser–Reaktoren. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß sich Bundesumweltminister Walter Wallmann (CDU) nach dem Steger– „Vorstoß“ in Sachen Alkem– „Neuauflagen“ zunächst bedeckt hielt. Denn anstatt den hessischen Minister, sofort anzuweisen, den ALKEM–Antrag in vollem Umfang ohne Auflagen zu genehmigen, bat der Bundesminister seinen Kollegen lediglich zum Rapport nach Bonn: Theaterdonner fürs Publikum. Daß Wallmann öffentlich monierte, sein Kollege Steger habe mit seinen vorangekündigten Auflagen den Boden des Atomgesetzes verlassen, paßt dabei ins Bild. Steger hat diesen Boden ganz bewußt verlassen, um einer von Ministerpräsident Börner vor dem Landtag in Erwägung gezogenen Klage des Landes Hessen gegen eine eventuelle Genehmigungs–Anweisung aus Bonn vorzubeugen. Denn mit der vorschnellen Benennung eines Zeithorizontes - zehn Jahre bis zur Stillegung der nuklearen Produktion der ALKEM - hat Steger tatsächlich gegen das Atomgesetz verstoßen, das eine nur befristet erteilte Genehmigung nicht vorsieht. Die ALKEM ist damit in jedem Fall abgesichert: Sollte Wallmann tatsächlich von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen, sind der Landesregierung die Hände gebunden. Mit dem Verweis auf die gesetzeswidrige Zehnjahresfrist würden die Karlsruher Verfassungsrichter eine Klage Hessens gegen diese Bonner Weisung zu Recht abschmettern. Verzichtet Wallmann dagegen darauf, von diesem Weisungsrecht Gebrauch zu machen, dann geht in Hanau ohnehin alles seinen „kapitalistischen Gang“. Nach Auffassung von minde stens zwei Mitgliedern des sogenannten „Doppelvierers“, der 1985 im Auftrag von SPD und Grünen den Streit zwischen den beiden Parteien in Sachen Atom ausräumen sollte, ist eine Klage des Landes Hessen in Karlsruhe noch aus einem andern Grund „mehr als unwahrscheinlich“. Denn wer vor den Verfassungsrichtern gegen den verhängnisvollen Kreislauf der Plutoniumwirtschaft anargumentieren wolle, der müsse sich doch zumindest in seinem „Hoheitsbereich“ dafür eingesetzt haben, daß dort in Zukunft keine Plutoniumwirtschaft mehr betrieben werden soll. Doch genau da liege „der Hund begraben“, meinten der Diplom–Ingenieur Michael Sailer und Physiker Lothar Hahn - beide Mitglieder des „Doppelvierers“ - übereinstimmend. Die Genehmigungsauflagen des hessischen Wirtschaftsministers würden ganz im Gegenteil dafür sorgen, daß die Plutoniumwirtschaft in Hessen weiter blühe und gedeihe. Sailer: „Nach dem Willen Stegers sollen bei der ALKEM bis 1996 noch rund 25 Tonnen Plutonium durchgewälzt werden, sollte die ALKEM weiter MOX–Brennelemente herstellen dürfen. Unter diesen Bedingungen kann doch niemand ernsthaft behaupten, daß das Land Hessen aus der Plutoniumwirtschaft aussteigen wolle.“ Daran ändere auch die Ablehnung der von der ALKEM beantragten Umgangsmenge von 6,7 Tonnen Plutonium durch das Haus Steger absolut nichts. Denn auch bei einer Umgangsmenge von „nur“ 460 Kilogramm, könne die ALKEM jährlich mehr als fünf Tonnen Plutonium verarbeiten. Die Umgangsmenge ist nämlich keine Jahresmenge, sondern eine Größe, mit der die dauerhafte Obergrenze für das im ALKEM– Teil des Bunkers und in der Produktion befindliche Plutonium festgelegt wird. Die ALKEM muß lediglich garantieren, daß sich auf ihrem Gelände nicht mehr als die genehmigten 460 Kg Plutonium befinden. Da die ALKEM eine Plutonium–Charge etwa in vier Wochen zu Brennelementen verarbeiten kann, ist sie in der Lage, jeden Monat erneut 460 Kg zu verarbeiten, respektive zu lagern. Eine Erhöhung der Umgangsmenge würde es der ALKEM lediglich gestatten, größere Mengen Plutonium gleichzeitig verarbeiten zu können. Angesichts der bei Antragstellung 1975 nicht erwarteten Negativentwicklung auf dem Plutonium–Brennelementemarkt, dürfte die Nichtgenehmigung der beantragten Umgangsmenge von 6,7 Tonnen Plutonium und die Beibehaltung der 460 Kg– Obergrenze den ALKEM–Managern wohl kaum die Tränen der Enttäuschung in die Augen treiben. Auch die Auffassung, daß Stegermit seiner Ankündigung, den MOX–Brennelementebau bei der ALKEM auf zehn Jahre befristen zu wollen, zumindest den Ausstiegsbekundungen der SPD gerecht werden wollte, muß inzwischen korrigiert werden. Die SPD–Bundestagsfraktion hat bereits Ende 85 einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der sich explizit gegen die Plutoniumwirtschaft wendet, und in dem explizit der Umgang mit MOX– Brennelementen als „verboten“ ausgewiesen wird. Lediglich für eine Übergangszeit sollen demnach noch zehn MOX–Brennelemente hergestellt werden dürfen; das entspricht ganzen 250 Kg Plutonium - eine Menge, die von der ALKEM in zwei Wochen verarbeitet werden kann. Die Spitze der hessischen SPD hat den „Vorstoß“ ihres Wirtschaftsministers bisher mit vornehmem Schweigen „kommentiert“, denn bis jetzt ging die politische Rechnung auf: Der sozialdemokratische Minister durfte sich als „Kämpfer gegen die Plutioniumwirtschaft“ profilieren, die Grünen lobten den Minister ob seiner vermeintlichen Härte, auch wenn sie weiterhin auf die vollständige Stillegung der ALKEM drängen, und Walter Wallmann hat den „Schwarzen Peter“. So klug wie die schweigende hessische SPD hat sich bei den Grünen bisher nur Umweltminister Joschka Fischer verhalten. Als zeichnungsberechtigter Minister im Börner–Kabinett hatte er lediglich angekündigt, die Vorlage des Herrn Steger „auf keinen Fall“ unterschreiben zu wollen. Mit Blick auf die Landesversammlung der hessischen Grünen am 8.2. in Langgöns, hat der Minister Fischer - gut daran getan, den goldenen Füllfederhalter stecken zu lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen