: Der ewige Sündenbock
Wieder einmal soll Werders Torhüter Pascal Borel Schuld an einem unerquicklichen Bundesliga-Nachmittag sein – diesmal watschten ihn die „Fans“ für die 1:2-Heimpleite gegen die Münchner Löwen ab. Doch seine Mannschaftskollegen täten gut daran, sich auch an die eigene Nase zu fassen
taz ■ Klaus Allofs stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben: Der Grund für den Frust des Werder-Sportdirektors war jedoch nicht in erster Linie die 1:2-Heimniederlage gegen den TSV 1860 München, den die Bremer Profikicker noch am Mittwoch im DFB-Pokal so überzeugend an die Wand gespielt hatten – diesmal waren eben die „Sechziger“ das glücklichere (und vor allem cleverere) Team. Ursache für Allofs Gram war auch nicht die Nachricht, dass sich mit Torschütze Ivan Klasnic (Verdacht auf Kreuzbandriss) und mit Ivica Banovic (schwere Beckenprellung) zwei von Werders Besten ins Verletzten-Lazarett abmelden mussten. Nein, Allofs war auf etwas ganz anderes sauer – auf viele der 34.000 Zuschauer im Stadion, allen voran auf die Trendsetter in der Ostkurve.
Die hatten nämlich bereits Anfang der zweiten Halbzeit ihren Sündenbock für die noch gar nicht feststehende Niederlage gefunden: In der 53. Minute hüpfte Werders 24-jähriger Torhüter Pascal Borel, wie schon häufiger in dieser Saison, bei einer Flanke recht ungelenk aus seinem Kasten – und leider am Ball vorbei. Münchens ebenso junger wie ausgebuffter Torjäger Benjamin Lauth bedankte sich artig und drosch den Ball aus spitzem Winkel zum 1:1 ins Netz. Fortan klatschte das Auditorium Borel bei jeder noch so harmlosen Ballaufnahme hämisch und höhnisch Beifall – logisch, dass der von der stabreimverliebten Boulevardpresse längst zum „Pannen-Pascal“ ernannte Schlussmann immer nervöser wurde.
„Wenn wir etwas erreichen wollen, dann geht das doch nur gemeinsam“, beklagte Allofs nach dem Spiel das unsolidarische Verhalten der angeblichen Bremen-Anhänger. Er könne „nur an die Fans appellieren“, auch für Fehler Verständnis zu haben. Werder könne „die Leute nicht aus dem Hut zaubern“, sondern sei „darauf angewiesen, junge Leute, die Talent haben, auszubilden“. Der Verein werde auf jeden Fall weiter zu seinem Schlussmann stehen, versicherte der Sportdirektor. Doch da der zweite Torhüter Jakub Wierzchowski mit seinem derzeitigen Stammplatz auf der Ersatzbank nicht zufrieden sei, bestehe mittelfristig Handlungsbedarf. „Es kann gut sein, dass wir zur nächsten Saison was anderes machen“, deutete Allofs an. Doch auch wenn neben Borel bald ein anderer zweiter Torwart im Kader vertreten sein sollte, gelte weiter die Devise: „Der Bessere spielt“ – einen „Freibrief“ für Borel werde es nicht geben.
Auch Werder-Trainer Thomas Schaaf wehrte sich dagegen, Borel zum Hauptschuldigen für die Niederlage abzustempeln: „Ja, Pascal war bei dem Tor beteiligt“, räumte der Übungsleiter ein, schob aber sogleich einen galligen Rüffel für seine Abwehr hinter: „Wir hatten ja auch noch ein paar Spieler im Sechzehner.“
Nach dem Ausgleichstreffer der Löwen hab er bewusst „alles oder nichts“ spielen lassen, auf Ergebnishalten habe er keine Lust gehabt, sagte Schaaf. Neben Klasnic und Charisteas wechselte er in der Schlussphase mit Ailton und Daun zwei weitere Stürmer ein. Fortan rannte Werder mit Mann und Maus auf den Kasten von Simon Jentzsch an und ließ den bedauernswerten Borel in der eigenen Hälfte allein. Wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen stolperte die Werder-Abwehr herum, so dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der bulgarische Nationalspieler Daniel Borimirow das Siegtor für die „Sechziger“ schoss.
Was Werder zum Schluss blieb, war Wiener Schmäh von Löwen-Trainer Peter Pacult: Seine Mannschaft habe sicherlich „des aan oder andere Glück ghobt“, aber die zweite Halbzeit doch „kloar dominiert“. Und dass die Bremer Spieler wohl keine große Lust mehr auf die just für Samstagabend angesetzte „Grün-Weiße Nacht“ hatten, bedauere er zutiefst: „Tut mer load, dass mir eich den Obend heut a bissl verbotzen.“ Markus Jox