Der einsame Mann und seine Maschine

Markus Popp alias Oval verweigert jede Einordnung in klassische Rezeptionsschemata, landet schlussendlich aber beim Spacerock

Die eingeführten Bewertungsmaßstäbe will Popp hinter sich lassen und ausschließlich Produktionsbedingungen der Musik thematisiert wissen

von ANDREAS HARTMANN

Komplexe Sachverhalte lassen sich nur schwer auf universalistische Erklärungsformeln herunterdampfen. Und als Markus Popp aka Oval vor kurzem zur Pressekonferenz in einen beliebten Berliner Club geladen hatte, führte er in die hochkomplexe Materie seiner aktuellen Arbeit – eine Software im luzide schimmernden Terminal, ein Sound-Interface im Sinne einer Public Domain – ein, ohne auf das Reden in weitestgehend schwer verständlichem Duktus zu verzichten. Doch wo Sprache und Habitus mit all ihrer Sperrigkeit so die eigene Arbeit abgleichen wie bei Markus Popp, ist das allein ja schon ein durchaus relevanter kognitiver Gewinn.

Zumal die Wahrnehmung von Markus Popp als künstlerischem Masterplaner von „Ovalprocess“ – so der Arbeitstitel des neuen Projekts – ein Kompromiss und letztlich auf einem leider immer noch notwendigen Missverständnis beruht. Denn es soll ja gerade nicht mehr um so etwas wie einen kreativen Künstler und Produzenten gehen, sondern allein um Software, Arbeitsprozesse und um die Möglichkeit, im sozialdemokratischen Sinne den Zugang auf eine Musik generierende Software für alle bereitzustellen. Deshalb auch steht ein Ovalprocess-Terminal als Interface im Sony-Center am Potsdamer Platz in Berlin im Rahmen des Musik-Themenparks „The Box“. Als Ausprobier-Spaß für die ganze Familie.

Begonnen hat Oval vor ungefähr sieben Jahren als bandartiges Projekt mit Gesang. Inzwischen ist es zum Solisten Popp geschrumpft. Anekdote am Rande ist, dass gerade Popp, das zu sich selbst gekommene Klischee vom dauertüftelnden Nerd mit zu wenig Frischluftzufuhr im Computerraum, Gründungsmitglied der Berliner Band Surrogat war, die gerade alles dafür tut, um mit dem Schlachtruf „Rock“ als Antipode zur anämischen und entkörperlichten Welt der Mouse-Click-Musiker wahrgenommen zu werden.

Mit Platten wie „Systemisch“ und „94 Diskont“, auf denen das Klicken von manipulierten CDs in eigenartig verklärte Klangschleifen überführt wurde, lieferte Oval einen entscheidenden Beitrag zum Paradigmenwechsel vom Song hin zu Sound. Vor allem Postrockbands wie Tortoise gaben immer wieder an, wie groß der Einfluss Ovals für ihre eigene Auffassung von Popmusik als offene Form zwischen Song und Track war. Außerdem hat sich Harmony Korine (Buch bei „Kids“, Regie von „Gummo“), der bekannt für seine extraordinären Soundtrack-Vorlieben ist, für seinen nächsten Film bei Oval bedient, und vor kurzem hat ein Armani-Spot, der mit Popps abstrakten Klick-Sounds unterlegt war, bewiesen, dass selbst ein im eigentlichen Sinne akustisches Werbegift plötzlich der Corporate Identity dienen kann.

Sich mit Markus Popp in einer Interviewsituation zu befinden ist reizvoll, anstrengend, undankbar und sehr angenehm. Genau in dieser eigenartigen Kombination. Popp ist sehr zuvorkommend, redet wie ein philosophierender Eddie Murphy, und Fragen werden niemals konkret beantwortet. Vielmehr wird die diskursive Latte hoch gehängt, mögliche Antworten lediglich umspielt und die Idee, in einem Interview hundertprozentige Erklärungen für irgendetwas zu finden, dekonstruktivistisch ad absurdum geführt. Wie auf seinen früheren Platten generiert Popp lieber Monologe in Endlosschleifen und wiederholt sich in Variationen und repetitiven Strukturen.

Popp definiert Ovalprocess und seine aktuelle Musik, die er selbst nicht so nennt, sondern als Design oder Audio verstanden wissen möchte, am liebsten ex negativo. Es handelt sich hierbei nicht um „eine Überhöhung oder Erweiterung des Autorenprinzips auf eine Software oder eine Soundobjekt-Installation“, „mein Thema ist nicht Expressivität oder intuitiver Zugriff“, „es geht mir in meinem prozeduralen Verfahrensansatz überhaupt nicht darum, kreativ zu sein“, „es gibt in meiner Musik nichts Unbrauchbareres als eine Idee“, und „es lag keinerlei Inspiration vor“.

Das grundsätzliche Anliegen von Popp ist es, endlich die eingeführten Bewertungsmaßstäbe an das, was man allgemein unter Musik versteht, hinter sich zu lassen und dafür ausschließlich Produktionsbedingungen zu thematisieren. Er selbst nennt das, was „Ovalprocess“ als Terminal, Software und Audio-CD ist, „das Modell einer möglichen anderen Arbeitsumgebung, einen Vorschlag, eine Schnittstelle“. Mehr nicht. „Indem ich definieren würde, was Leute innerhalb dieses Environments maximal tun könnten, würde ich maximal endlich den Möglichkeitshorizont der Software definieren.“ Und darum geht es gerade nicht. Vielmehr ist „die Software ein Engine, der Sound bewegt und strukturiert und der jederzeit erweitert werden kann. Zum Beispiel ist es vorstellbar, zusätzlich ein Netzwerk zu basteln und dann doch zur Open Source zu werden, zur offenen Schnittstelle. Der Möglichkeitshorizont ist noch nicht sichtbar, noch ist alles ein Prozess.“

Für Popp ist „Musik zu machen mit Equipment, das dafür gebaut wurde, Service und Dienstleistung“ und damit viel zu trivial. „Es geht vielmehr darum, mit relativ unwahrscheinlichen Methoden folgerichtige Resultate zu erzielen.“ Und dass dann dabei etwas herauskommt, das doch wieder unter „Musik“ katalogisiert werden kann, ist kein Widerspruch in sich, sondern „erkenntnistheoretischer Triumph oder Sophistication oder auch nur Nostalgie“. Denn „es geht ja eigentlich nur um Design und generatives Verfahren, und deshalb ist es umso erstaunlicher, dass sich eine Platte wie das Audio-Format von Ovalprocess doch nochmals als große Musik-Musik hören lässt“.

Und hierin liegt zwar nicht unbedingt die Crux der ganzen Sache verborgen, aber doch ein ironischer Kommentar zur eigenen Überambitioniertheit. Denn wenn man das mit dem hörbar gemachten Verfahren und den ausstaffierten CD-Klicks dann doch mal beiseite lässt, kommt man um die rein erkenntnistheoretische Aneignung des Audio-Formats nach der „klingt wie“-Kategorie nicht herum. Eine Einschätzung, die Markus Popp selbst nicht interessieren wird: Seine Platte klingt wie reduzierter Digital-Spacerock.

Oval: „Ovalprocess“ (Form & Function/ Zomba)