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Der dritte Verlierer im Golfkrieg

Jordanien leidet neben Kuwait und Irak am meisten unter den Spätfolgen / Ein Drittel der Bevölkerung ist arm / 300.000 Rückkehrer  ■ Aus Amman Petra Dubilski

Als „Schweiz des Orients“ bezeichnete ein begeisterter Autor Jordanien kürzlich in seinem Reisehandbuch. Da ein landschaftlicher Vergleich ausscheidet, kann damit nur entweder ein gewisser Reichtum oder die in dieser Region bemerkenswerte politische Stabilität gemeint sein. Oder der Leumund der Bewohner: Ihr Ordnungssinn, ihr Fleiß und ihre Zuverlässigkeit gelten im arabischen Raum als sprichwörtlich. Als Arbeitskräfte waren die Jordanier daher in den Golfstaaten sehr begehrt – und hoch bezahlt. Doch der Wohlstand war stets äußerst fragil: Jordaniens Wirtschaft ist im höchsten Maße von außenpolitischem Wohlverhalten abhängig, was sich seit dem Golfkrieg sehr deutlich zeigt.

König Hussein, seit 40 Jahren Herrscher über das haschemitische Königreich Jordanien, brachte sein Land außenpolitisch und wirtschaftlich durch seine proirakische Haltung arg in die Bredouille. An den von den Vereinten Nationen verordneten Sanktionen gegen den Irak beteiligte er das Land nicht. Dies hätte nämlich die Blockade Aqabas, des einzigen Hafens Jordaniens und damit einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor, beinhaltet. Zudem bezog Jordanien 55 Prozent seines Erdölbedarfs aus dem Irak und hatte dort Außenstände in Höhe von 650 Millionen Dollar.

Hussein begann einen Eiertanz. Weder wollte er die westlichen Staaten verprellen, auch wenn er den USA die Zerstörung von Moscheen durch ihre Flugangriffe vorwarf, noch den irakischen Machthaber Saddam, den er einen arabischen Patrioten nannte. Saudi- Arabien war erbost über die Haltung des jordanischen Königs und stoppte auf der Stelle alle Erdöllieferungen. Zugleich wurden sämtliche jordanischen Gastarbeiter des Landes verwiesen. Die übrigen Golfstaaten zogen mit. Rund 300.000 Jordanier kehrten zwangsweise in ihre Heimat zurück. Die Arbeitslosenzahl stieg auf (geschätzte) 35 Prozent. Der Verlust der bis dahin von den Gastarbeitern in die Heimat überwiesenen über 640 Millionen US-Dollar machte sich im Land unmittelbar bemerkbar.

Jordaniens Staatskasse nahm 1992 nur etwa 2,9 Milliarden Mark ein; die Ausgaben beliefen sich hingegen auf 3,6 Milliarden. Bis 1990 gehörte Jordanien zum wichtigsten Empfänger von Hilfsleistungen seiner arabischen Nachbarn. Saudi-Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate leisteten Finanzhilfe, Irak und Saudi-Arabien lieferten subventioniertes Erdöl, da Jordanien nur über geringfügige eigene Erdölvorkommen verfügt. Das Ausbleiben der arabischen Finanzhilfe von zirka 600 Millionen US-Dollar und der Wegfall der arabischen Nachbarländer als Exportmärkte – 40 Prozent der Ausfuhren wie Nahrungsmittel, Düngemittel und Rohphosphor gingen in diese Länder – war für die jordanische Wirtschaft ein harter Schlag. Die Hilfsleistungen der USA, die durchaus ein Interesse an wirtschaftlicher und politischer Stabilität des Landes im Brennpunkt des Nahost- Konfliktes haben, wurden ebenfalls kurzzeitig suspendiert und die Wiederaufnahme an eine Bedingung geknüpft: Jordanien solle an den Nahostverhandlungen mit Israel teilnehmen; so geschah es dann auch im November 1991.

Das Pro-Kopf-Einkommen in Jordanien ist in den letzten vier Jahren um 50 Prozent gesunken, inzwischen zählt ein Drittel der 4 Millionen Einwohner mit weniger als umgerechnet 230 DM im Monat zu den Armen. Ein Kilo Mehl kostet zwar dank der Subventionierung nach wie vor nur 15 Pfennig und ist so für alle erschwinglich; für ein Kilo Hammelfleisch aber werden inzwischen 10 DM verlangt.

Aus eigener Kraft wird Jordanien kaum wieder auf die Beine kommen. Zwar bemüht man sich, den 1990 und 1991 völlig zum Erliegen gekommenen Tourismus wieder anzukurbeln, der immerhin nach dem Transithandel der größte Posten des Bruttoinlandproduktes war. Aber noch zögern die westlichen Touristen; und auch die arabischen Besucher, die rund zwei Drittel des Kontingents ausgemacht haben, zeigen sich äußerst zurückhaltend.

Die Eingliederung der 300.000 Rückkehrer aus den Golfstaaten macht dem Land ebenfalls erheblich zu schaffen. Die bisherigen Maßnahmen, sind eher hilflose Versuche, ein Beschäftigungsprogramm aufzustellen, wie beispielsweise die Reinigung der historischen Bauwerke von Unrat, den Besucher wie Einheimische dort hinterlassen. Einzig die Baubranche boomt – kaum eine Stadt, in der nicht eifrig saniert oder gebaut wird. In Aqaba entstehen ganze Stadtvierel neu, denn die Rückkehrer brauchen nicht nur Arbeit, sondern auch Wohnraum. 100.000 neue Arbeitsplätze sind bis 1998 geplant, ein ehrgeiziges Vorhaben in dem strukturschwachen Land.

Die einheimische Industrie, ohnehin unterentwickelt, reicht trotz verstärkter Anstrengungen kaum aus, um das Bruttoinlandsprodukt wesentlich zu steigern. Die forcierte Phosphatgewinnung und die Kapazitätserweiterung der Düngemittelfabrik in Aqaba schaffen zwar einige neue Jobs, aber die Fabrik verursacht zugleich ökologische Probleme. Wissenschaftler sind alarmiert wegen der möglichen Zerstörung der einzigartigen Korallenriffe im Golf von Aqaba durch Phosphatstaub. Dem erhofften Tourismus dürfte dies ebenfalls nicht dienlich sein, wenn am einzigen Badestrand des Landes die beeindruckende Landschaft durch Industrieanlagen verschandelt und die sensible Unterwasserwelt geschädigt wird.

Eine weitere Sanierungsmaßnahme der Wirtschaft orientiert sich weitgehend an der bereits 1989 geforderten Strukturanpassung von IWF und Weltbank. So wurden viele Subventionen (hauptsächlich für Nahrungsmittel und Erdölprodukte) gestrichen, bestehende Steuern erhöht und neue geschaffen sowie die staatliche Kreditaufnahme eingeschränkt. Die Preise für Konsumgüter sind durch die Subventionsstreichung erheblich gestiegen – und somit auch die Lebenshaltungskosten.

Eine Wende der Wirtschaftsmisere wäre nur dann in Sicht, wenn die Handelsbeziehungen mit den nach wie vor verstimmten Golfstaaten wieder aufgenommen würden. Ganz aussichtslos ist dies nicht mehr: die jüngsten US-Bomben auf Bagdad haben einen gewissen Gesinnungswandel der arabischen Staaten der Golfregion verursacht.

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