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Archiv-Artikel

Der doppelte Pfeifer

Hans H. Pfeifer will in diesem Jahr als Stuttgarter Citymanager aufhören und nur noch als SPD-Stadtrat politisch aktiv bleiben. Zum Rücktritt hat Pfeifer keiner gezwungen. Warum eigentlich nicht, fragt man sich angesichts einer befremdenden Verquickung von Kapital, Kommerz und Kommunalpolitik

von Peter Freytag

Dem Parteibuch nach ist er ein Roter. Doch Freund und Feind nennen Hans H. Pfeifer auch gern einen bunten Hund. Das kommt von seiner bewegten Vita, mit der der grau gelockte 64-Jährige nicht hinter dem Berg hält. Schon kurz nach der Verwaltungsausbildung wurde er im jugendlichen Alter von 25 Jahren Bürgermeister in Bad Boll. 1984 wechselte der gebürtige Stuttgarter von der Voralb in den Schwarzwald, um in Freudenstadt ein noch größeres Rathaus zu erobern.

Als damals jüngster Oberbürgermeister der Republik verzichtete er 1992 auf eine erneute Kandidatur. Stattdessen ging der Ex-OB ins Marketing. 1995 gründete er die Firma Pfeifer & Team, die sich auf Kommunal- und Unternehmensberatung konzentrierte. Anfang 2000 wurde der Vater von drei Kindern erster Stuttgarter Citymanager. Im Herbst 2009 schließlich kehrte er, wenn auch ehrenamtlich, in ein Rathaus zurück: Bei der Kommunalwahl zog Pfeifer für die SPD in den Stuttgarter Gemeinderat ein.

An der Doppelrolle, die er als hauptamtlicher Geschäftsführer der City-Initiative Stuttgart (CIS) und als Mandatsträger seither spielt, störte sich im größten Rathaus des Landes erstaunlicherweise kaum jemand. Am wenigsten Pfeifer selbst. Tagsüber sitzt er im CIS-Büro in der Königstraße, plant den nächsten Mega-Shopping-Event in der Innenstadt, der unter solch klangvollem Namen wie „S-City leuchtet“ läuft. Oder er feilt an CIS-Newslettern, in denen „bestimmte Kreise“ und eine „sensible Bezirksvorsteherin“, allesamt Mitglieder der Grünen, mitunter ihr Fett wegbekommen. An Donnerstagen jedoch, an denen gewöhnlich der Stuttgarter Gemeinderat tagt, wechselt der Citymanager den Hut, um flugs zum SPD-Fraktionsvize im Stadtparlament zu werden. „Kein Problem“, findet Pfeifer und betont, er sei sich ja beider Rollen und der Problematik bewusst. Da müsse man halt aufpassen, sagt er, und sauber trennen. Scheint einfach.

Nur einmal trennte Pfeifer sauber Job und Mandat

Ist es aber nicht. Im Laufe seiner dreijährigen Amtszeit als Stadtrat trennte Pfeifer nur einmal sauber zwischen Job und Mandat: bei der Abstimmung zum aktuellen Doppelhaushalt, als es um den städtischen Zuschuss für die City-Initiative ging. Ohne die Stimme des CIS-Geschäftsführers billigte der Gemeinderat zuletzt jährlich 90.500 Euro dem Verein zu, der laut Statuten „Stuttgart mit unterschiedlichsten Maßnahmen als Einkaufs- und Erlebnisstadt zu positionieren“ hat.

Das klingt zunächst harmlos. Ist es beim genaueren Blick in die CIS-Mitgliederliste mitunter nicht. Denn unter den über 200 aktiven Mitgliedern sind nur etwa ein Drittel alteingesessene Einzelhändler. Mit dabei ist auch großes Kapital und renditeorientierter Kommerz („starke Wirtschaftspartner“, laut Pfeifer), darunter auch potente Investoren, deren millionenschwere Projekte im Stuttgarter Talkessel den Segen des Gemeinderats benötigen. So ist die Phoenix Real Estate Development GmbH ein in Immobilienkreisen sehr bekanntes CIS-Mitglied. Nach verschiedenen Projekten im näheren Umfeld der Einkaufsmeile Königstraße realisieren die Frankfurter derzeit im Auftrag eines weiteren CIS-Mitglieds, nämlich der Württembergischen Lebensversicherung AG, das neue Stadtquartier Gerber. 250 Millionen Euro kostet das Shopping-, Büro- und Wohncenter, das am südwestlichen Rand der Innenstadt einen ganzen Quartiersblock umkrempelt. Dass die wichtigsten Weichen für das Gerber schon vor Pfeifers Ratswahl gestellt wurden, mag als Entlastung von einem Befangenheitsvorwurf gelten.

Doch mit dem Dorotheen-Quartier steht aktuell ein weiteres innerstädtisches Megaprojekt auf der Agenda des Gemeinderats. Rund 200 Millionen Euro will das traditionsreiche Handelsunternehmen Breuninger hinter seinem Stammhaus am Karlsplatz in das neue Quartier verbauen. In der Vorplanungsphase gelang es den Räten nur mit Mühe, den Flächenhunger des Unternehmens von 49.000 auf stadtbildverträglichere 38.000 Quadratmeter zu zügeln. Dabei kann Pfeifer beim Dorotheen-Quartier eigentlich nur schwer eine unbefangene Figur machen, wird hinter vorgehaltener Hand im Rathaus getuschelt. Denn Breuninger gilt als eines der einflussreichsten CIS-Mitglieder. Auf der Homepage der Initiative wird das Handelshaus als Sponsor geführt, Breuningers „Sonderbeauftragter“ Helmuth H. Bohnenstengel ist stellvertretender CIS-Vorstand. Pfeifer sagt: „Ich weiß nicht, wo Sie da einen Zusammenhang herstellen.“ Er halte sich ja immer da raus, wo man eine „offensichtliche Liaison herstellen könnte“. Aus der grünen Ratsfraktion heißt es schon fast entschuldigend: „Es erschwert eben die Zusammenarbeit, würde man dem Pfeifer etwas sagen.“

Eigenartige Verflechtungen zwischen Stadt und Wirtschaft

Dabei gebe es Gelegenheit genug, mit deutlichen Worten den Genossen Pfeifer an einen Grundsatz korruptionsfreier Politik zu erinnern, nämlich als Amtsträger schon von vornherein jeglichen Anschein von Befangenheit zu vermeiden. Denn zur City-Initiative gehören auch Stadtmöblierer wie Klett-Decaux und Stöer Deutsche Städte Medien, die sich vor kurzem vor dem Gemeinderat einen heftigen Bieterwettkampf um die Aufstellung von Werbetafeln auf städtischem Grund lieferten. Mit Banken, Immobiliengesellschaften und Parkhausbetreibern stehen weitere Unternehmen im CIS-Register, deren Geschäfte auch immer wieder im Stadtrat zur Sprache kommen.

Interessenkonflikte sind für Pfeifer auch programmiert bei der künftigen Energie- und Wasserversorgung der Landeshauptstadt, die durch Gründung eigener Stadtwerke zumindest teilweise wieder in kommunale Hände gelangen soll: Beim Poker um die lukrativen Versorgungsnetze sitzt das CIS-Mitglied EnBW mit am Tisch, Pfeifer selbst vertritt die SPD im Stadtwerke-Aufsichtsrat. Pfeifer: „Ach du lieber Himmel.“ Das sei übrigens ironisch gemeint. Nein, da sehe er kein Problem.

Die CIS steht nicht nur für eine fragwürde Verquickung von Managerposten und Mandatsträger, sondern auch für eigenartige Verflechtungen zwischen Stadt und Privatwirtschaft. So ist nicht nur die Landeshauptstadt ein CIS-Mitglied, auch städtische Eigenbetriebe wie die Abfallwirtschaft (AWS) und Märkte Stuttgart sowie das städtische Tochterunternehmen Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) sind als Mitglieder gelistet. Deren Mitgliedsbeiträge tragen dazu bei, dass die städtische Finanzierung des Vereins tatsächlich höher als der offizielle städtische Förderbetrag von 90.500 Euro ist.

Auch juristisch bewegt sich Hans H. Pfeifer auf schlüpfrigem Terrain. Die Gemeindeordnung, seit der Gründung des Südweststaats im Wesentlichen unverändert, verlangt in Paragraf 18 zwar, dass ein Bürger als kommunaler Mandats- und Amtsträger weder beratend noch entscheidend mitwirken darf, wenn er „gegen Entgelt bei jemand beschäftigt ist, dem die Entscheidung der Angelegenheit einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann“. Das Werk lässt als dehnbares Schlupfloch die Mitwirkung aber zu, wenn „nach den tatsächlichen Umständen der Beschäftigung anzunehmen ist, dass sich der Bürger deswegen nicht in einem Interessenwiderstreit befindet“. Eindeutig befangen ist ein ehrenamtlich tätiger Stadtrat laut Gemeindeordnung, sobald er im Vorstand oder Aufsichtsrat eines die Entscheidung betreffenden Vereins oder Unternehmens sitzt. Grundsätzlich sind Stadtratsbeschlüsse rechtswidrig, wenn sie unter Mitwirkung eines befangenen Bürgers zustande gekommen sind. „Wenn kommunale Mandatsträger zweifeln, ob bei ihnen Befangenheit vorliegt, sind sie gut beraten, aktiv auf die Stadt zuzugehen und dort unter Darlegung des Sachverhalts um Klärung zu bitten“, betont Christian Humborg von Transparency Deutschland.

Wie schwer es auch einem Hans H. Pfeifer fallen kann, von mehreren jeweils den richtigen Hut aufzuhaben, zeigte sich beispielhaft im Stuttgarter OB-Wahlkampf. Im Rennen um den Stuttgarter OB-Sessel probierte er sich als Wahlkampfmanager der von der SPD ins Rennen geschickten Bettina Wilhelm. Ein Versuch, der bekanntlich kläglich scheiterte. Das hielt ihn während einer CIS-Veranstaltung nicht davon ab, als Citymanager (und/oder SPD-Wahlkampfmanager?) den Grünen-Kandidaten Fritz Kuhn beim Thema City-Maut in die Mangel zu nehmen. Hinterher gab er öffentlich zu, die SPD-Kandidatin mit samtigeren Handschuhen als den später siegreichen Kuhn angefasst zu haben.

In die Schlagzeilen brachte es Hans H. Pfeifer zuletzt im Zusammenhang mit Stuttgart 21. Zur Finanzierung der geänderten Planung auf den Fildern könne er sich vorstellen, dass die Stadt Stuttgart sich an einer Finanzierung der Mehrkosten aus einem Extratopf beteilige, verkündete er auf Anfrage der Medien. Machte er die Äußerung aus politischer Überzeugung? Oder sprach er auch als CIS-Manager, im Auftrag von CIS-Mitgliedern? Ein Zusammenhang – „nachgerade lächerlich“, meint Pfeifer.

Mit der DB Regio jedenfalls ist ein Tochterunternehmen des Stuttgart-21-Bauherrn Deutsche Bahn in der Initiative präsent. Zahlendes Mitglied ist auch das Turmforum Stuttgart 21, eine von den S-21-Projektpartnern finanzierte Werbe- und Infoplattform. Schon zuvor hatte Pfeifer kaum eine Gelegenheit ausgelassen, gegen Stuttgart-21-Gegner mobilzumachen. Als Citymanager mahnt er regelmäßig, dass die ständigen Demos gegen das unterirdische Milliardenprojekt nicht nur den Verkehr, sondern auch die Handelsumsätze zum Erliegen bringen. Pfeifer ging gar so weit, den Protest als Gefahr für den Wirtschaftsstandort zu geißeln. Was wiederum die beiden Stuttgarter Tageszeitungen gern abdruckten, die – wen wundert’s – ebenfalls in der CIS engagiert sind. Doch als zuletzt im Zuge der S-21-Bauarbeiten Intercitys entgleisten, Fernzüge tagelang um Stuttgart herumfuhren, das gesamte S-Bahn-System aus dem Takt geriet und Pendler wie Besucher oft nur auf zeitraubenden Umwegen in die Einkaufs- und Erlebnisstadt Stuttgart kamen – dazu schweigt der doppelte Pfeifer eisern.