: Der clevere Fifa-Schwabe
Fast hätte er den begehrtesten Weltpokal verkauft. Dann wären der Fifa Millionen durch die Lappen gegangen
STUTTGART taz ■ Wenn seine Heiligkeit Shi Yongxin am Sonntag zusammen mit Rolf Deyhle auf der Ehrentribüne der Fifa sitzt, wird alles wie selbstverständlich aussehen. Niemand wird fragen, ob er ein großer Kungfu-Meister aus dem uralten Shaolin-Kloster in Henan ist. Niemand wird wissen, dass der Chef des Fußball-Weltverbands persönlich ihn eingeladen hat. Er ist einfach zu Gast bei Freunden. Und niemand wird wissen, dass dies auf Wunsch von Musical-König Rolf Deyhle geschah.
Dabei hat der schwäbische Unternehmer die Fifa noch vor zwei Wochen an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gebracht, als er damit drohte, ein Originalreplikat des WM-Pokals zu versteigern, das er als einziger Privatmann der Welt besitzt.
Doch nun wird alles gut. Der Mann aus Stuttgart wird lächeln, genauso wie sein Freund, der Kungfu-Meister, der zwar nicht wirklich etwas von Fußball versteht, „aber inzwischen ein echter Fan ist“, wie Deyhle versichert. „Der Abt wird dem Fifa-Boss Blatter etwas Tolles mitbringen“, erzählt er. Dabei strahlt Deyhle so fröhlich wie ein Neunjähriger, dem gerade ein nagelneuer Fußball geschenkt wurde. „Es ist die Kopie eines alten 2.000 Jahre alten Steinreliefs. Darauf ist ein Mönch zu sehen, der gegen etwas kickt, was verdächtig nach einem Fußball aussieht.“ Und alle werden lächeln.
Vergessen ist dann die Aufregung, die der wuchtige Schwabe bei der Fifa verursacht hat. „Es ging nur ums Prinzip“, sagt Fifa-Sprecher Andreas Herren, „der Pokal war nur für ihn gedacht, zum privaten Gebrauch.“ Kein Wort darüber, dass der Fifa wohl unzählige Millionen durch die Lappen gegangen wären, wenn ein cleverer Geschäftsmann die begehrteste Trophäe der Welt ersteigert hätte, um sie zu vermarkten. Der Verlust der Exklusivrechte hätte gedroht. Die Fifa wollte alle rechtlichen Mittel ausschöpfen – es hätte wohl wenig gebracht, Deyhle wäre befugt gewesen, den Pokal zu verkaufen. Immerhin, das kollektive Herzkammerflimmern ist vorüber.
Der findige Schwabe hatte den Goldpokal einst von der Fifa geschenkt bekommen. Für seine Verdienste um den internationalen Fußball. 1977 hatte er sich in einem genialen Coup die Vermarktungsrechte für alle im Zusammenhang mit der Fifa stehenden Logos und Symbole gesichert; verkauft vom etwas kurzsichtigen Generalsekretär Helmut Käser. Ohne einen Finger zu rühren, machte der Tausendsassa, der seine berufliche Karriere als einfacher Finanzbeamter begann und als Musical-Unternehmer bundesweit berühmt wurde, ein Vermögen. Weitere Geschäfte schlossen sich an. Er selbst entwickelte das noch heute gültige Fifa-Logo. „Das habe ich damals auf einer Zugfahrt auf eine Serviette gezeichnet“, erzählt er und freut sich.
Deshalb wird Deyhle morgen auf der Tribüne sitzen und sich mit dem Abt über das Spiel freuen. Wieso er die Versteigerung abgeblasen hat? Dazu sagt er nichts. „Darüber wurde Stillschweigen vereinbart“, sagt auch Fifa-Mann Herren. „Wir sind einfach froh, dass es so gelaufen ist.“
Aus dem Fifa-Umfeld hört man andere Töne. Deyhle sei nicht dafür bekannt, dass er sich ein Geschäft entgehen lasse. Die einvernehmliche Lösung sei wohl nicht gerade billig gewesen. Seine Freunde glauben, er hätte seine geliebte Trophäe, die seit über 30 Jahren in einem Hochsicherheits-Tresor in seinem Büro steht, ohnehin kaum hergegeben. JOCHEN SCHÖNMANN