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■ Zum in Somalia getöteten weißen US-SoldatenDer amerikanische Alptraum

CNN, wer sonst, lieferte den amerikanischen Alptraum frei Haus: Jubelnde Somalis schleifen einen toten US-Soldaten durch die Straßen und laden Reporter zur Begutachtung ein: „Come here, look at the white man.“ Wie anders als mit Schock und Empörung könnte man auf ein solches Bild reagieren. Und wie schnell vergißt man, daß es auch Tote gibt, die nicht im Fernsehen gezeigt werden. All jene somalischen Zivilisten zum Beispiel, die im Verlauf der US- UN-Jagd auf Warlord Mohammed Aidid getötet worden sind – entweder weil sie zwischen die Fronten gerieten oder weil Aidid sie gezielt als menschliche Schutzschilde benutzte. Sie bleiben ohne Namen und ohne Gesicht – eine anonyme Masse, im Militärjargon auch „Verluste“ oder „Nebenschäden“ genannt. So wird tagtäglich in der scheinbar objektiven Berichterstattung über Krisen, Kriege und Konflikte die Wertehierarchie menschlichen Lebens festgeklopft.

Noch hatten die Moskauer Bilder Vorrang. Doch schon in den nächsten Tagen werden die somalischen Bilder ihre Schockwirkung entfalten. Aus der scheinbar so einfachen wie öffentlichkeitswirksamen „Operation Restore Hope“ ist nun das geworden, was die Amerikaner quagmire nennen – jener politisch-militärische Sumpf, in den immer tiefer versinkt, wer erstmal einen Fuß hineingesetzt hat. Die Clinton-Administration ist nun gleich mit zwei Dilemmata konfrontiert: Erstens ist man sich innerhalb der US-Regierung völlig uneins darüber, was man in Somalia eigentlich erreichen will. Aidid festnehmen, sagen die einen (vor allem im Pentagon), den politischen Verhandlungsprozeß wieder in Gang setzen, sagen die anderen (vor allem im Außenministerium).

Letztere Option dürfte nach den jüngsten Ereignissen in weite Ferne gerückt sein. Da hilft es auch nicht zu wissen, daß in anderen Teilen des ostafrikanischen Landes Ruhe herrscht, die Versorgung klappt und mit dem Wiederaufbau der Infrastruktur begonnen wurde. Somalia besteht in den westlichen Medien derzeit nur aus Mogadischu. Nun taucht das zweite Dilemma auf: Bill Clinton muß der US-Öffentlichkeit und vor allem dem Kongreß nicht nur die steigende Zahl toter US-Soldaten erklären – in einem Einsatz, mit dem eigentlich Hunger gelindert werden und kein Krieg geführt werden sollte. Er muß ihnen auch erklären, warum die letzte verbliebene Supermacht so gedemütigt werden kann, wo doch einst US-Marines wie unantastbare Übermenschen am Strand von Mogadischu landeten, um für Frieden und Ordnung zu sorgen.

Da werden böse Erinnerungen wach – zumal in den nächsten Tagen weitere Fernsehaufnahmen ihre Schatten auf die US-Außenpolitik werfen werden: Vor allem das Bild des Hubschrauberpiloten Michael Durant, der – vermutlich mit anderen Amerikanern – von Aidid gefangengenommen wurde.

Aus „Operation Restore Hope“ ist plötzlich eine neue Geiselaffäre mit völlig ungewissem Ausgang geworden. Bill Clinton hat vorerst mit der Entsendung weiterer Truppen reagiert. Die politisch wie militärisch fatale Jagd auf Aidid soll also weitergehen – und mit dem innenpolitisch explosiven Faktum amerikanischer Gefangener könnte der Einsatz in Mogadischu zu einer amerikanischen Vergeltungsaktion führen. Der Alptraum, so steht zu befürchten, hat gerade erst angefangen. Andrea Böhm, Washington

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