Der abgeschlossene Roman: Der Marques schlemmt
■ Wir erzählen da weiter, wo der Klappentext sonst endet. Heute: Rakewell pustet
Kein Mensch hat heutzutage noch Zeit, ein Buch zu lesen. Selbst Bibliophile kommen selten über den Klappentext hinaus. Wir schaffen jetzt Abhilfe. Und erzählen dort weiter, wo der Klappentext aufhört. Den ganzen Roman. Bis zum Ende.
Jonathan Rakewell weiß, daß es ein Wettlauf mit der Zeit wird – in drei Monaten muß er in China sein, will er nicht die Frau verlieren, die er liebt. So schnell sein Klipper auch ist, Wind und Wetter können die Reise zu einem unwägbaren Risiko machen. Lai-tse lu jedoch glaubt fest daran, dass er es schaffen wird. Er muss es schaffen, denn sonst ist sie gezwungen, den reichen Marques de Braga zu heiraten, ein Schicksal, das ihr schlimmer als der Tod erscheint. Denn der Marques ist ein gewissenloser, grausamer Mann mit seltsamen Vorlieben, ein Mann, der sie körperlich und geistig zerstören würde.
Denn seit Wochen schon vollzieht der wahnsinnige Marques allabendlich das gleiche grässliche Schauspiel: Mit einem rostigen Samuraibesteck schnibbelt er hauchzarte Filethäppchen aus Lai-tses tofuweicher Hüfte, um sie roh mit einem sprudelnden Glas Mineralwasser hinunterzuspülen. Damit nicht genug, singt er fortwährend Lieder von „Pur“ bis zur Heiserkeit. Lange, das weiß Lai-tse lu, würden weder ihr Körper noch ihr Geist das noch ertragen.
In der Zwischenzeit rackert Jonathan Rakewell sich ab wie ein Racker. Nicht einmal eine mehrwöchige Flaute kann ihn stoppen. Tagaus, tagein bläst er in die Segel seines Klippers, ernährt sich von toten Matrosen und erreicht drei Monate später entkräftet die Küste – Australiens.
Dumm gelaufen. Andererseits: In China hätte es eh nicht mehr viel zu heiraten gegeben. Denn der schleckermäulige Marques hatte inzwischen ganze Arbeit geleistet. zott
Der Klappentext stammt von dem Roman „Zeit der Tränen, Zeit des Glücks“ von Michael William Scott, Bastei-Lübbe-TB Band 18151, 9,90 Mark
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