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■ Der Zusammenbruch des Wertpapierhauses Yamaichi: eine von unzähligen Firmenpleiten in Japan. Zur Kasse gebeten wird der Steuerzahler.Mit nur achtzig Mark sind Sie dabei

Der Zusammenbruch des Wertpapierhauses Yamaichi: eine von unzähligen Firmenpleiten in Japan. Zur Kasse gebeten wird der Steuerzahler.

Mit nur achtzig Mark sind Sie dabei

Das japanische Bankensystem erlebt seine bisher größte Pleitewelle. Und steht nach dem jüngsten Zusammenbruch des viertgrößten Wertpapierhauses daher erneut im Zentrum der Aufmerksamkeit der internationalen Finanzwelt. Yamaichi Securities hinterläßt seinen Gläubigern insgesamt 6,7 Billionen Yen (91,5 Milliarden Mark) Schulden. Das ist ohne Übertreibung ein unvorstellbarer Betrag. Eine Tokioter Abendzeitung rechnete es gestern ihren Lesern in einem eingängigen Beispiel vor. Wenn die 123 Millionen Einwohner Japans heute für Yamaichi bürgen müßten, dann bezahlte jede Person, vom Baby bis zum Greis, 80 Mark.

Die Pointe dieser Rechnung ist: Mit Sicherheit muß die Bevölkerung die Zeche für die Megapleiten im Lande der aufgehenden Sonne bezahlen. Indirekt und in Raten natürlich. Denn seit diesem Wochenende signalisiert die japanische Regierung nach allen Seiten, daß sie öffentliche Gelder zur Stabilisierung des Bankensystems einsetzen will. Acht Billionen Yen (112 Milliarden Mark) wird die Regierung nach Schätzungen von James Fiorillo, Finanzanalyst von ING Barings in Tokio, aufwenden müssen, um allein den Banken aus ihrer Not zu helfen. Es ist nicht ganz zwei Jahre her, als ein ähnliches Vorhaben – damals ging es nur um 9,5 Milliarden Mark – zu einem Regierungwechsel in Tokio geführt hat.

Das ist auch der Grund dafür, daß sich die Regierung von Premier Hashimoto bisher mit allen erdenklichen Argumenten gegen den Einsatz von öffentlichen Geldern für die Finanzinstitute gewehrt hat. Nicht zuletzt auch deshalb, weil in der Bevölkerung der Verdacht nie ganz ausgeräumt werden konnte, daß einige der Geldhäuser in illegale Geschäfte verwickelt waren.

Die Pleite von Yamaichi hat diesen Verdacht bestätigt. Gestern mußte Finanzminister Hiroshi Mitsuzuka bekanntgeben, daß das Geldinstitut 264 Milliarden Yen (3,7 Milliarden Mark) durch illegale Transferbuchungen von Verlusten verloren hat. Außerdem stand Yamaichi im Zentrum eines Erpressungsskandals, der Japans vier größte Wertpapierhäuser seit diesem Frühjahr erschüttert. Für die Regierung Hashimoto wird es vor diesem Hintergrund also doppelt schwierig, die Bevölkerung zu überzeugen, daß sie tief in ihre Tasche greifen muß, um das Finanzsystem des Landes zu stützen. Dies alles kommt zu einem Zeitpunkt, in dem Japans Staatskasse leer ist und die Wirtschaft wieder knapp vor einer Rezession steht. Statt nun Gelder zur Ankurbelung der stockenden Konjunktur zur Verfügung zu stellen, wird Tokio wohl oder übel Milliardenbeträge für die Rettung der japanischen Banken ausgeben müssen. Denn nur so kann sie den internationalen Finanzmarkt beruhigen. Die Notenbank und das Finanzministerium haben dies bereits am Sonntag und gestern noch einmal versichert. Vorerst wird vor allem die Notenbank, die immer noch auf rund 220 Milliarden Dollar Devisenreserven sitzt, für die Feuerwehreinsätze herhalten müssen.

Yamaichi ist bei weitem nicht die einzige Megapleite, die in Japan befürchtet wurde und nun eingetroffen ist. Analysten zufolge stehen noch vier Lebensversicherungen sowie drei der größten zwanzig Banken vor dem Zusammenbruch. Die Kreditwürdigkeit dieser Geldinstitute hat die Rating-Agentur Standard und Poors bereits auf die niedrigste Stufe gesenkt. Nicht mitgerechnet in dieser befürchteten Konkurslawine sind die schwächeren Regionalbanken und Kreditinstitute, die im Zuge der großen Pleiten zusammenbrechen könnten. Die Teikoku-Datenbank in Tokio hat ausgerechnet, daß in diesem Jahr mit einer Rekordzahl von Konkursen zu rechnen ist, die einen Schuldenberg von über 200 Milliarden Mark zurücklassen würden. Allein im Oktober mußten 1.600 Firmen Konkurs anmelden, ein Zehnjahresrekord auf Monatsbasis.

Zu dieser Pleitewelle hat sich außerdem eine Konjunkturabkühlung gesellt, die von einer Erhöhung der Konsumsteuer im Frühjahr ausgelöst worden ist. Japans Konsumenten halten sich seitdem mit Käufen zurück, was zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums von 2,6 Prozent im zweiten Quratal des laufenden Fiskaljahres geführt hat. Dieser Konjunktureinbruch – der schlimmste seit der Ölkrise 1973 – hat sich in Japan auch psychologisch äußerst negativ ausgewirkt.

Verschärft wurden all diese Probleme schließlich durch die asiatische Währungskrise, die Japan besonders hart traf. Seit Süd-Korea den Internationalen Währungsfonds um Hilfe angerufen hat, ist klar, daß der Bankenapparat – mit rund 200 Milliarden Dollar wichtigster Gläubiger in der Region – mit riesigen Verlusten rechnen muß. Noch sind sie nicht quantifiziert. Doch sie könnten so groß werden, daß Japans Banken gezwungen wären, einen Teil ihrer US-Staatsanleihen zu verkaufen, um die 8 Prozent Eigenkapitalanforderungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zu erfüllen. Die Analysten sagen zwar, daß diese Verkäufe erst gegen Ende des Geschäftsjahres im März zu einer akuten Gefahr werden. Doch mit jeder Megapleite rückt diese Möglichkeit ein Stück näher. André Kunz, Tokio

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