Der Zauber des Zarten ist verflogen: Peter Kruder im Planetarium und im Mandarin : Meister der Mellowness
Wenn alle nur noch vom „Meister“ und „werten Herren“ tuscheln, von „großer Ehre“ und „Wahnsinnsfreude“ heucheln, gilt es stets, das Objekt des Umgarnens ganz besonders intensiv zu prüfen. Wer es abgelehnt hat, für David Bowie, U2, Jean Michel Jarre oder Yello zu arbeiten, um lieber an Downtempo-Dub-Remixen von Madonna, Depeche Mode oder Roni Size zu basteln, macht es dem Nörgler noch schwerer.
Peter Kruder, Friseur aus Wien, und Richard Dorfmeister, der lange ohne Durchbruch in Wiener Bands tingelte, sind genial und schnöselig, echte Denkmale, Meilensteine der Club-Musik. Aber ihre große Zeit ist wohl vorbei. Leider. Sie sind Fetischisten und Frickler, verwursteln Sounds, die sie irgendwo auf Platten finden, zum elektronischen Trackwunder. „Unser Handwerkszeug ist ein Apple-Computer und drei Kilo Marihuana, dann hat man den Klang im Kopf.“
Stilbildend ist ein großes Wort, aber vielleicht haben Kruder und Dorfmeister mit DJ Kicks und den K & D Sessions wirklich zwei der besten Alben der 90er Jahre gemacht. Zudem sind die Beats der Österreicher aus vielen Jingles, Teasern und Werbefilmchen nicht mehr wegzudenken. Kruder und Dorfmeister haben einst den Sound zur Lässigkeit, vielleicht sogar die Coolness selbst erfunden. Die Beats der „Original Bedroom Rockers“ schmiegen sich sanft und schmeichelnd in die Gehörgänge wie eine Sachertorte auf der Zunge schmilzt.
Nicht nur deshalb ist um die Downbeatniks, Deejays und Produzenten eine ganze Schule von Mellow-Musikern entstanden, nicht nur in Wien. Der K & D-Ruhm findet heute auf zwei Ebenen statt: Während die Austro-Popper bei ihren DJ-Auftritten in Europa und dem Rest der Welt nach wie vor Tausende Clubgänger vertrancen, fehlen ihre CDs gleichzeitig nicht in vielen Regalen der Generation 40 plus. Nicht mal eine Lufthansa-Lounge kommt heute ohne K & D-Beschallung aus.
Auf dem Weg vom Hype zum Größenwahn sehen sie sich Kruder und Dorfmeister nun sogar in der Tradition von Mozart und Schubert. „Das waren auch Eigenbrötler, aber wenn wir so richtig berühmt sind, hören wir auf“, wird Dorfmeister zitiert. Fast jammerschade, dass sie weitermachen: Vielleicht ist die Veröffentlichung eines dicken Foto- und Textbooklets samt CD über die beiden und ihr Label G-Stone-Records vor drei Jahren die Wende im Schaffen von K & D. Da war die Luft raus.
„Tosca“, ein Ambient-Projekt von Dorfmeister und Ruprecht Hilber, hat nach vielen 5-Sterne-Kritiken für Chocolat Elvis oder Suzuki zuletzt mit Dehli 9 nur noch maues Jubeln bei Jüngern verursacht. Reset, 2002 die letzte veröffentlichte CD von Peace Orchestra, dem Soloprojekt von Peter Kruder, kann man auch noch blind kaufen, aber der schöne Zauber des Zarten scheint verflogen. Der Hörer wippt nur noch mit dem Fuss mit, wird aber nicht mehr aus dem Sessel geblasen.
Sei‘s drum. Ikonen sind sie auch noch mit 60. Es ist also kein Wunder, dass der samstägliche Auftritt von Peter Kruder im umgebauten Planetarium im Rahmen des Essential Listening Festivals bereits seit Wochen restlos ausverkauft ist. Keinen der 150 Gäste dürfte es stören, dass der Sternengucker-Palast bestuhlt ist wie bei einem Konzert von Udo Jürgens. Und: Immerhin gibt es noch Hoffnung für Kruder-Fans: Nach dem Gig im Planetarium, so um 1 oder 2 Uhr, legt Kruder zusammen mit Gilles Peterson im Mandarin Kasino (Reeperbahn 1) auf. Eintritt: 17,60 Euro.
Kai Schöneberg
Sa, 24 Uhr, Mandarin