piwik no script img

■ Der Westen dringt auf eine Entscheidung des Machtkampfs der bosnischen Serben. Eine weitere Teilung des Landes wird dabei in Kauf genommen.Aus eins mach zwei

Der Westen dringt auf eine Entscheidung des Machtkampfs der bosnischen Serben. Eine weitere Teilung des Landes wird dabei in Kauf genommen.

Aus eins mach zwei

Und wieder einmal soll der Drahtzieher der Kriege in Ex-Jugoslawien die Dinge zum Guten richten. Seit Tagen appellieren die USA und die drei anderen westlichen Garantiemächte des Dayton- Abkommens (Frankreich, Großbritannien, Deutschland) an Slobodan Milošević, bei seinem angekündigten Besuch in der bosnischen Serbenrepublik eindeutig Partei für Präsidentin Biljana Plavšić zu ergreifen. So soll ihr zum Sieg über ihren Vorgänger Radovan Karadžić verholfen werden. Für die USA wäre dies die eleganteste Lösung, den Machtkampf in ihrem Sinne zu entscheiden. Eleganter, als wenn Plavsić sich mit Unterstützung der SFOR-Truppe gegen Karadžić durchsetzen müßte.

Aber warum sollte der starke Mann in Belgrad, der sich gerade gegen alle Widerstände und Bedenken zum Präsidenten Restjugoslawiens küren ließ, den westlichen Appellen folgen? Bereits als Richard Holbrooke ihn Mitte August in Belgrad unter vier Augen zur Unterstützung von Plavšić aufforderte, ließ der Präsident den Architekten des Dayton-Abkommens abblitzen. „Plavšić ist eine sehr schwierige Frau und verdient den Ärger, den sie sich jetzt mit anderen Offiziellen in der Republik Srpska eingehandelt hat“, erklärte Milošević laut einem vertraulichen Bericht amerikanischer Diplomaten.

Auch auf alle anderen Aufforderungen des US-Unterhändlers reagierte der Präsident mit Ablehnung. Beendigung der schweren Menschenrechtsverletzungen gegen die Albaner im Kosovo: „Das ist nur von Interesse für ein paar US-Kongreßabgeordnete; wir lösen das auf unsere Weise.“ Überwachung der serbischen Präsidentschaftswahlen durch die OSZE: „Kommt nicht in Frage.“ Ebensowenig wie die Kooperation mit dem UNO-Kriegsverbrechertribunal und die Auslieferung gesuchter Personen. Milošević drohte Holbrooke sogar, die Festnahme eines bosnischen Serben durch die SFOR im Juli werde „negative Konsequenzen“ haben.

Nach der Analyse westlicher Diplomaten in Belgrad fühlt sich Milošević nach dem Auseinanderfallen der serbischen Opposition und trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage in seinem Lande in ausreichend starker Position und nicht genötigt, Forderungen der westlichen Dayton-Garantiemächte nachzukommen. Darin bestärkt haben ihn jüngste Manöver Rußlands, das einen Beschluß der OSZE zur Überwachung der von Plavšić für den 12. Oktober angesetzten Parlamentswahlen in der Republik Srpska verhinderte.

Inzwischen hat Milošević aber auch öffentlich Partei für die Karadžić ergriffen. So unterstützte er die Forderung seiner Leute in Pale, zeitgleich mit den Parlamentswahlen auch Präsidentschaftswahlen abzuhalten. All dies verschärft das Dilemma für die westlichen Dayton-Garantiemächte. Politisch haben sie sich längst eindeutig hinter Plavšić gestellt und damit hinter eine Politikerin, die sich eines Tages als noch größeres Hindernis für die Umsetzung des Dayton-Abkommens erweisen könnte als Karadžić.

Mit der Ankündigung von Finanzhilfen in Höhe von zunächst neun Millionen Dollar für Städte und Dörfer, die Plavšić unterstützen, sind die USA gestern noch einen Schritt weitergegangen. Ihr Kalkül ist, der wirtschaftlichen Macht von Karadžić, die ihm bisher in weiten Teilen der Republik Srpska die politische Unterstützung sichert, eine Alternative entgegenzusetzen. So soll die Abhängigkeit zahlreicher Kommunen von Pale nach und nach verringert werden.

Um einen Sieg der Karadžić- Partei SDS bei den bosnischen Kommunalwahlen am 13./14. September zu verhindern, kommen derartige Maßnahmen allerdings viel zu spät. Weshalb Holbrooke am Mittwoch dann auch in einem Interview für die Verschiebung dieser Wahlen auf dem Gebiet der Repubik Srpska plädierte. Die von den USA über ihren Botschafter Robert Frowick kontrollierte OSZE-Mission in Bosnien wird sich dieser Empfehlung voraussichtlich anschließen. Sie dürfte dabei allerdings erhebliche Begründungsschwierigkeiten haben. Denn mit diesem Schritt würde die OSZE in einem internen Konflikt klar Position zugunsten einer Seite beziehen. Genauso wird von den Anhängern Radovan Karadžić' auch das Eingreifen der SFOR beim Streit um die Leitung der Polizeistationen in Brčko, Doboj und Bijeljina gesehen. Alle Beteuerungen, die SFOR sei „neutral“, können daran nichts mehr ändern. Und damit wächst die Gefahr, daß die SFOR auch in künftige bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Pale und Banja Luka hineingezogen wird. Derartige Auseinandersetzungen sind heute wahrscheinlicher als je zuvor.

Noch kontrollieren Karadžić und seine Verbündeten 95 Prozent der 40.000 Mann starken bosnisch- serbischen Polizei, mindestens die Hälfte der Armee, sowie einen Großteil der Medien und fast alle relevanten Wirtschaftsunternehmen. Karadžić dürfte sich diese Machtbasis kaum widerstandslos abnehmen lassen.

Ein Bürgerkrieg zwischen Pale und Banja Luka würde aber über die bereits bestehende — und von Richard Holbrooke als „Fortschritt“ begrüßte — politische Spaltung hinaus zu einer geographischen West-Ost-Teilung der Republik Srpska führen. Zur Grenzstadt würde dann Brčko werden. Auf diese Weise wäre nicht nur die Statik des Dayton- Abkommens aus dem Gleichgewicht gebracht, sondern auch eine Abspaltung des von Pale dominierten Ost-Teils der Republik und sein Zusammenschluß mit Serbien ist durchaus möglich. Es ist auch nicht auszuschließen, daß die Regierungen in Washington, Bonn, London, Paris und auch die in Sarajevo insgeheim längst auf dieses Szenario setzen. Andreas Zumach, Genf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen