piwik no script img

■ Der Werbespot drängt ins richtige LebenIm Namen der Hose

Osnabrück (taz) – Vor geraumer Zeit haben die Werbeagenturen entdeckt, daß soziales Engagement rentabel sein kann. Vielleicht steht in diesem Zusammenhang, daß die Marketingstrategen der Firma Levi's derzeit ein hübsches Model namens Cindy durch die Reviere der Nightrider, Großstadtcowboys und Fallensteller schicken, um minderwertige, dem sozialen Status ihres Trägers abträgliche Jeans durch das ungleich noblere Beinkleid mit der Nummer 501 zu ersetzen. Einzige Gegenleistung des Begünstigten: Er muß willens sein, sich vor Publikum zu entblößen.

Für Zuschauer wird gesorgt, denn schließlich handelt es sich bei dieser Umtauschaktion eben doch nicht um die uneigennützige Tat barmherziger Kleidersammler. Vielmehr erhoffen die Initiatoren erheblichen Werbeeffekt, indem sie auf die Schaulust neugieriger Nachtschwärmer setzen. Tutti Frutti ist tot, jetzt fallen die Hosen im Szenetreffpunkt nebenan. Wer heute abend noch in die Disco gehen möchte, achte auf vorzeigbare Unterwäsche.

Kino- und Fernsehzuschauer kennen Cindy bereits. Im jüngsten Levis's-Werbespot gerät sie unversehens in Kalamitäten, im Nu aber rutscht via Vollbremsung ein Mororrdfahrer in die Szenerie und steht der hilflosen Schönheit bei. Jedoch verhüllt ein Mororradhelm das edle Antlitz des stolzen Ritters auf stählernem Streitroß. Als er zügig entschwindet, bevor noch die bebenden Lippen der verzauberten Cindy ein Wort des Dankes finden, bleiben nur ein Paar Jeans von ihm zurück. Fortan streift Cindy, stets auf der Suche nach ihrem Beglücker, ruhelos durch die Nächte und offeriert wildfremden Männern die aufgelesene Nietenhose, denn, so die auf das Bedürfnis nach Individualität abzielende Botschaft des Spots, kein menschliches Gesäß gleicht dem anderen, und so verhält es sich auch mit der 501.

Das Kinoerlebnis verlagert sich in die Realität. Cindy ist tatsächlich unterwegs und richtet unbestechliche Blicke unter die Gürtellinien männlicher Hosenträger. Wohl manches Mal wird Unflat ihr Auge beleidigen. Sehnerven verkrampfen, Augäpfel rollen vor Verzweiflung angesichts ruchloser Modesünden: So viele Billigjeans, obszöne Schlußverkaufsware, minderwertige Elendstextilien! Auch wenn Ekel sie zu übermannen droht, Cindy steht bereit, um den Armseligen und Verladenen das Heil zu bringen: Eine nagelneue Levi's 501. Ein Spielverderber, wer da fragt, ob man mit dieser Hose nicht zwangsläufig uniformiert und zur Nummer degradiert wird... Harald Keller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen