: „Der Weg ist noch weit“
Seit 14 Jahren schafft die Gayhane Party einen Raum für Homo- und Transsexuelle mit Wurzeln in der Türkei und Arabien
■ 14. Geburtstag von Gayhane – House of HalayTürkische, arabische, griechische und hebräische Popmusik mit DJ mikki_p, Amr Hammer, Gürkush
■ Wo? SO36, Oranienstr. 190
■ Wann? 26. Januar, 23 Uhr
Ab 1 Uhr Show mit Fatma Souad, Sabuha Salaam, Gerome Castell, Laila Loo, Dragzhaufen (Bauchtanz, singende Travestie, Vollplaybacktanzperformance)
■ Eintritt: 8 Euro
taz: Gayhane gibt es seit 14 Jahren. Ist die Veranstaltung noch so notwendig wie damals?
Sabuha Salaam: Gayhane ist heute noch genauso notwendig. Wir sind ein Ort, wo schwule Migranten feiern und sie selbst sein können – dafür gibt es in dieser Stadt immer noch zu wenige Möglichkeiten.
Fatma Souad: Gayhane ist immer noch ein beschwingtes Miteinander: tanzen, flirten, Spaß haben. Sachen wie Geschlechtsidentität oder Herkunft treten hier in den Hintergrund. So eine Mischung gibt es sonst nicht.
Was sagt das über die Gesellschaft aus? Hat sich so wenig geändert in den letzten 14 Jahren?
F: In der Gesellschaft hat sich einiges geändert, aber nicht genug. Es gibt viele Schwule, die sich offener und früher zu ihrer sexuellen Identität bekennen, weil sie Vorbilder haben, weil sie wissen, wo man Leute treffen kann, wo man sich austoben und die Sexualität leben kann. Aber in den Köpfen der Familien gibt es immer noch sehr wenig Bewusstsein dafür, die Leute so sein zu lassen, wie sie sind. Da hat sich noch nicht viel geändert in der türkischen Community. Aber auch in Kreuzberg ist vieles noch nicht so, wie es sein sollte. Beim 1. Mai ist nichts Queeres dabei. Da als Transe durchzugehen ist keine schöne Erfahrung.
S: Immerhin gibt es in Kreuzberg seit 1997 als Alternative zum kommerziellen Mainstream-CSD den transgenialen CSD, an dem wir beteiligt sind.
Ihr habt Gayhane ja auch gegründet, weil es in der lesbisch-schwulen Community kaum Platz für Türken gab. Hat sich da etwas geändert?
S: Nö. Da hat sich wenig getan. Es gibt immer noch viele Orte, wo ich als Transe und Ausländer komisch angeguckt werde, wo ich als Abschlepper gelte, der nur hinter Männern her ist, die Geld in der Tasche haben.
F: Da herrschen dieselben Vorurteile. Kürzlich wurde jemand wegen seinem asiatischen Hintergrund an einer Disko abgewiesen! Schlimm! Das passiert auch Türken immer wieder.
Auch die Türpolitik von Gayhane stand in der Kritik, weil Heterosexuelle des Öfteren abgewiesen wurden …
F: Es gibt Gäste, die ein Doppelleben führen. Wenn es rauskommt, dass sie bei Gayhane sind, werden sie von ihren Familien verstoßen oder sogar verfolgt. Deswegen ist es wichtig, dass das ein Schutzraum ist …
S: … und bleibt. Die Diskussion haben wir oft an der Tür. Aber das nehmen wir in Kauf, weil wir unsere Gäste schützen wollen, dass sie sich bei uns frei bewegen können.
F: Gerade die Frauen! Was da in einer türkischen Diskothek passiert, ist mitunter haarsträubend! Bei uns werden sie in Ruhe gelassen. Also kamen von Anfang an Mädelsgruppen und haben irre viel Spaß gehabt. Es hat nicht lang gedauert, da wollten die Hetero-Jungs auch kommen! Aber wenn zu viele Heten reingelassen werden, dann fühlen sich Transleute oder Homos wie im Zoo und nicht mehr wohl. Und es gab Vorfälle, dass Leute verarscht wurden, die tuckig rumrennen, oder Frauen einfach angegrabscht wurden – da gab es Handlungsbedarf. Das geht gar nicht!
S: Wir hätten uns eine Menge Stress sparen können, wenn wir am Anfang gesagt hätten, wir machen eine rein schwule Oriental-Homo-Party. Aber das kam für uns nicht in Frage, weil wir ja auch mit unseren Freundinnen und Freunden tanzen wollen, auch wenn die anders gestrickt sind, also hetero. Die Begegnung zwischen verschiedenen Gruppen war uns ganz wichtig.
Wie wichtig sind politische Inhalte für Gayhane?
F: Party und Politik, das gehört für uns zusammen. Wir unterstützen mit einer Soli-Mark vom Eintritt andere Projekte, etwa Istanbuler Rechtsanwältinnen, die sich um Vergewaltigungsopfer in der Türkei kümmern.
S: Wir haben auch das Flüchtlingscamp am Oranienplatz unterstützt und einen Film, der dokumentiert, wie in der Türkei Eltern von Schwulen und Lesben an die Öffentlichkeit gegangen sind und gesagt haben: Mein Kind ist schwul oder lesbisch, wir stehen zu ihm. Auch den Kreuzberger und den Istanbuler CSD haben wir unterstützt.
Ist Gayhane ein Vorbild in der Türkei?
S: Gayhane ist dort sehr bekannt, aber die Türkei ist noch nicht so weit, dass man so eine Party machen kann. Natürlich gibt es schwule Clubs, aber alles ist viel versteckter, und Transen kriegen einen Strafzettel, wenn sie auf der Straße mit einem Mann sprechen! Wir unterstützen die Community, so weit es geht. Aber der Weg ist noch weit. INTERVIEW: MALTE GÖBEL