■ Der Waffenstillstand wird in Guatemala nur wenig ändern: Von der Barbarei in die Armut
Der jetzt verkündete Waffenstillstand in Guatemala war überfällig. Schon seit Jahren konnte es der URNG-Guerilla nur noch darum gehen, einigermaßen günstige Konditionen für ein Ende des Kampfes auszuhandeln. Militärisch, das wußten alle, war kein Sieg zu erringen. So hielt die URNG eine Art Guerillakrieg niederer Intensität aufrecht – gerade so weit, daß die Regierung das Interesse an Gesprächen mit den Comandantes nicht völlig verlor.
Nachdem in Nicaragua mit der Abwahl der sandinistischen Regierung vor sechs Jahren der Traum revolutionärer Umgestaltung ausgeträumt war, sah die salvadorianische FMLN-Guerilla zu, daß sie es schleunigst zu einem Abkommen mit der Regierung brachte, um die Organisation wenigstens einigermaßen geordnet ins zivile politische Leben zu überführen. Die URNG hing hinterher – was kaum an ihr lag, sondern an der politischen Elite Guatemalas. Vinicio Cerezo, der 1985 als erster ziviler Präsident nach Jahren der offenen Militärherrschaft gewählt worden war, konnte sich gegenüber der Armee überhaupt nicht durchsetzen. Sein Nachfolger Jorge Serrano übte sich im Selbstputsch, verlor das Spiel und mußte abtreten. Und daß Ramiro de León Carpio, der ehemalige Menschenrechtsbeauftragte, Präsident werden konnte, war doch zu sehr das Ergebnis von Auseinandersetzungen innerhalb des Militärs. Nicht einmal die Einhaltung der Menschenrechte gegenüber Tausenden aus Mexiko zurückkehrenden Flüchtlingen hatte er zunächst garantieren können. Erst Alvaro Arzú, der gerade gewählte konservative Präsident, scheint in der Lage zu sein, das zu Ende zu führen, was so unzureichend vorbereitet wurde.
Die Gründe allerdings, die einst zur Aufnahme des bewaffneten Kampfes geführt hatten, bestehen weiter. Noch immer gibt es ungestraft Mord und Verschleppungen, noch immer verfügt in Guatemala eine sehr kleine Oligarchie über den größten Teil des nationalen Reichtums, noch immer sieht sich die indigene Bevölkerungsmehrheit diskriminiert. Es gibt wenig Anlaß für die Vermutung, daß sich daran nach einem Friedensschluß irgend etwas ändern wird. Die URNG-Guerilla, deren Führung ohnehin heillos zerstritten ist, wird im zivilen politischen Leben alsbald in ihre Einzelteile zerfallen, und den zivilen Volksbewegungen fehlt es nach jahrelanger Verfolgung an politischer Erfahrung. Vielleicht ist es in Friedenszeiten möglich sein, wenigstens den Einfluß der Militärs auf die Politik zurückzudrängen. Dann hätte Guatemala wenigstens den Sprung von der Militärbarbarei zu den erbärmlichen Zuständen in den Nachbarländern geschafft. Immerhin etwas. Bernd Pickert
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