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Der Verkehrschef spricht Von Carola Rönneburg

Arme, arme Grüne: Immer werden sie mißverstanden. Hundertaufderautobahn sei schließlich nur ein Vorschlag, heulen sie; nicht mit der Parteispitze abgesprochen, seufzen sie; alles soll doch ohnehin noch mit der SPD verhandelt werden, biedern sie sich an. Trotzdem wird nun wochenlang vom Bevormundungsschock die Rede sein, der die Wahlchancen der Grünen erheblich mindere, deshalb: Darf ich auch mal?

Wäre ich nämlich Verkehrschef, dann wäre Autofahrerbevormundung legal. Audi-Quattro- Fahrer zum Beispiel müßten jeden Tag einhundertmal schreiben: „Ich bin ein dummer Cowboystiefelträger mit Dauerwelle, der die Schwarzwaldstraßen im Leben nicht wie seine Westentasche kennen wird. Ich muß sehr, sehr vorsichtig fahren, damit ich bei Glatteis nicht aus der Kurve fliege und entgegenkommende Kleinwagen samt ihrer Insassen plattmache.“ Ist der Audi-Quattro-Fahrer dreiundzwanzig Jahre alt, bekommt er seinen Führerschein ohnehin erst mit dreißig, denn das ist ein angemessenes Alter, den Menschen beschleunigt auf seine Artgenossen loszulassen. Bis dahin muß der Dreiundzwanzigjährige natürlich trotzdem täglich seine Merksätze notieren.

Im innerstädtischen Bereich sind mobile Bevormunder unterwegs. Sie stellen Raser spätestens an der nächsten Kreuzung, zerren sie aus ihren Wagen und lassen sie zu Fuß weiterlaufen.

Das Gefährt wird konfisziert und verschrottet oder einer Künstlergruppe übergeben, die daraus eine besonders abscheuliche Skulptur bauen darf. Darüber hinaus sorgen endlich angemessen dimensionierte Bodenwellen- und senken für Verkehrsberuhigung. Die Bodenwellen sind so angelegt, daß bereits die kleinste Geschwindigkeitsbegrenzungsübertretung einen Achsenbruch zur Folge hat. In den Senken empfiehlt es sich, Schrittempo einzuhalten, da nur drei Meter geradeaus gefahren werden kann. Auf der Strecke zwischen den Bodenwellen und -senken sind Radarfallen postiert. Diese werden von Künstlergruppen gewartet.

Auch sollten sich Dreiundzwanzigjährige den Audi Quattro aus dem Kopf schlagen: Der Verkehrschef nimmt nämlich alle panzerähnlich ausgestatteten Wagen vom Markt. Statt dessen gelangt die Rennpappe wieder auf den Markt – mit noch dünnerer Karosserie, aber auch mit neuem Motor und neuem Geruch. Das Design des „Vabanque“ lehnt sich an Entwürfe an, die aus einem großen Kindergartenzeichenwettbewerb hervorgehen. Die neuen Autos bestechen durch ihr albernes Äußeres, ihre Airbags sind durch Schlafsäcke ersetzt, und wer in ihnen fahren will, tut dies stets im Bewußtsein seiner Sterblichkeit.

Brandenburger erhalten genau aus diesem Grunde keine Fahrerlaubnis.

Und weil dann alle anderen, die nicht als Knautschzoni an einem Baum enden wollen, fortan freiwillig darauf verzichten, zu kacheln, zu brettern und zu pesen, muß auch nicht länger über Hundertaufderautobahn debattiert werden. Mit mir als Verkehrschef könnte sich die Diskussion vielmehr sofort von den Gefahren entfernen, die Stickstoffoxide, Kohlendioxid und -monoxid mit sich bringen. Schließlich drohen größere Belastungen: zum Beispiel Gerhard Schröder.

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