: Der Untergang von Emden
DFB-POKAL Kickers Emden verlieren mit 0 : 3 gegen den 1. FC Köln, doch angesichts der strukturellen Emder Krise wird das Ergebnis fast bedeutungslos. Immerhin hat das eine Spiel fast die Hälfte des Jahresetats gedeckt
Engelbert Schmidt, Noch-Präsident von Kickers Emden
VON ROGER REPPLINGER
Am Ende richtete Stadionsprecher Gerd Krauledat er ein Wort an die Anhänger von Kickers Emden. „Das 0 : 3 ist das nicht das Problem“, sagte er.
Das 0 : 3 (0 : 1) im DFB-Pokalspiel gegen den 1. FC Köln nach Toren von Youssef Mohamad (38.), Winfried Sanou (59.) und Lukas Podolski (88.) ist tatsächlich nicht das Problem. Das Problem sind die 600.000 Euro, die in der Kasse fehlen, weshalb die Kickers – für alle überraschend – ihre Mannschaft aus der Dritten Liga zurückzogen, aus der sie eigentlich in die Zweite hatten aufsteigen wollen. Nun sind sie in die Oberliga Niedersachsen-West abgestürzt, fünfte Klasse. Der Rückzug kam so überraschend, dass Mannschaftskapitän Rudi Zedi noch an seinem Haus baute, als schon Schluss war. Zedi spielt nun in Paderborn.
Ein Grund für den Rückzug war der Stadionausbau. Der Deutsche Fußballbund saß den Kickers im Nacken, keine Lizenz mehr fürs provisorische Stadion. Die Stadt Emden war bereit, einen Neubau mit drei Millionen zu fördern, unter der Bedingung, dass der Verein sechs Millionen aufbringt. Illusorisch. Der Aufstieg hätte Emden gerettet. Die Zweite Liga und die fünfte lagen eng beieinander.
Die Kickers versuchen es mit einem neuen Team, bestehend aus Nachwuchs und zweiter Mannschaft. Holger Willms, rechter Außenverteidiger, ist Landwirt: Schwein und Kuh. Andre Frerichs, der für Benjamin Lünemann, den Sohn des Trainers, hereinkam, geht noch zur Schule. Paolo Rizzo ist Barmann und nannte seinen Gegenspieler Podolski „Arschloch“. Der Nationalspieler hatte den Ellenbogen ausgefahren und motzte, statt einer Entschuldigung, seinen Gegenspieler an. Und Marek Schmidt, der Sohn des Präsidenten, wurde eingewechselt. „Ein großes Ding für die Jungs, die 18, 19 Jahre alt sind, und normalerweise vor 15 Zuschauern spielen“, sagt Schmidt senior.
Der Torwart, der gegen Köln spielte, war so frisch, dass es nur noch im Programmheft stand: Edgar Kary. „Den hatten wir zwei Wochen im Probetraining, er machte einen guten Eindruck. Da hab ich mich für ihn entscheiden“, sagt Trainer Johann Lünemann, der vom Nachbarn Germania Leer gekommen war.
Keeper Kary kannte kaum einer der 7.200 Zuschauer im ausverkauften Stadion, darunter 1.200 Kölner und sehr viel Polizei. Die Kölner hatten Emden vom Bahnhof bis zum Stadion mit Karnevals-Aufklebern verziert. Plastiktüten Kölner Supermärkte, leere Kölschgläser, Kölner Boulevardblätter, die über Emdens gefegte Straßen flogen.
„Wir können jeden Euro brauchen“, sagte Präsident Engelbert Schmidt nach dem Spiel. Es werden, über den Daumen, 110.000 Euro bei den Kickers hängenbleiben. 100.000 Euro vom Fernsehen, der Rest von den Zuschauern. Das ist schon fast die Hälfte des Etats, der auf 250.000 Euro geschrumpft ist. So ziemlich genau ein Zwanzigstel des Kölner Bundesligaetats. Die Insolvenz ist noch nicht abgewendet: „Theoretisch kann das, wenn weitere Sponsoren ausfallen, passieren“, so Schmidt, der aber „eine realistische Chance“ sieht, „die Saison zu Ende zu spielen“.
Die Wirtschaftskrise, die sich heftig auf den Schiffsverkehr auswirkt, hat voll erwischt. Auch Schmidts Firma, die mit Schiffsbeteiligungen ihr Geld verdient. Schmidt hat die ganzen Jahre über Geld in den Verein gesteckt und ist nun nicht mehr unumstritten. Im November ist Hauptversammlung, Schmidt steht nicht mehr zur Wahl. „Es kann auch vorher was passieren“, sagt er, „hier klebt keiner an seinem Stuhl“. Schmidt könnte auch schon bei der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag stürzen. Und mit dem Stuhl ist es so: Eine Tribüne, auf der ein Stuhl stehen könnte, an dem zu kleben sich lohnte, gibt’s nicht mehr. Der Abbau der für die Dritte Liga geleasten Zusatztribüne begann kurz nach dem Abpfiff.