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Archiv-Artikel

Der Unentschlossene

Edmund, 20, kommt täglich und pünktlich. Für die Zeit nach der Schule hat er keine großen Hoffnungen

Von ALE

Edmund steht vornüber gebeugt, umklammert die Bank mit beiden Händen und furcht die Stirn. Kopfschüttelnd richtet er sich wieder auf: „Nein, weiß nicht genau, was ich nach der Schule mache. Mal sehn, was man kriegt mit ’nem Hauptschulabschluss. Nicht viel, schätze ich.“ Vielleicht macht er ja den erweiterten Hauptschulabschluss.

Edmund gehört zur Minderheit der Schüler, die jeden Tag und dazu noch pünktlich kommen. „Vorher war ich dumm, mir war egal auf Schule. Ich hab mit den Kumpels abgehangen, geschwänzt. Aber das is ’ne Chance hier.“

Und Geld gibt es dafür auch, obwohl das ein Witz sei, meint Edmund. „250 Euro im Monat, wat soll ich damit machen. Meine Mutter verdient auch nichts.“ Sie geht putzen, der Vater ist „ein fauler Sack“ und arbeitslos.

Der 20-jährige Edmund wohnt bei seiner Mutter in Reinickendorf. Vor 12 Jahren kam die Familie aus Kasachstan nach Deutschland. „Hier war ungefähr unsere Stadt – Semipolakinsk.“ Er tippt auf der Weltkarte, die im Klassenzimmer hängt, in den hellen Fleck Kasachstan.

Mit den Kumpels in Berlin redet er Russisch. Die kommen alle aus Kasachstan oder Kirgisien und halten zusammen. Gegen die Türken und gegen die Deutschen. „Die Türken sind die Schlimmsten, die halten sich für was Besseres und machen jeden an.“ Als er noch in Pankow wohnte, ging es gegen die Deutschen. „Die mit den kahl geschorenen Köpfen, wir nennen sie Möchtegernnazis.“ In der Schule gebe es weder Probleme mit Deutschen noch mit Türken, nur draußen eben.

Edmund kräuselt die Lippen, sodass man die Lücke zwischen den Zähnen sieht. So kurz vor den Prüfungen hat er wenig mit den Kumpels zu tun. „Ich habe gar keine Zeit“. Auch keine Freundin. „Für eine Freundin braucht man nämlich viel Zeit.“ ALE

Alle Namen der Jugendlichen wurden von der Redaktion geändert