■ Der UN-Sicherheitsrat will in Bosnien-Herzegowina sechs Schutzzonen für die moslemische Bevölkerung einrichten: Beihilfe zum Völkermord
„Schutzzonen“ einzurichten ist die neue Devise, die zur „Beruhigung“ des „Konflikts“ in Bosnien von der UNO und ihrem General, Morillon, ausgegeben wird. Die von der bosnisch-serbischen Armee bedrohten und um ihr Leben bangenden Menschen in den ostbosnischen Enklaven, nicht etwa die Angreifer, die mörderische serbische Soldateska, sollen ihre Waffen abgeben und sich auf Gedeih und Verderb dem „Schutz“ der UNO anvertrauen. Die Bewohner der Region sollen sich einem vagen Versprechen eines französischen Generals ausliefern, der für seine Schaukelpolitik bekannt ist. Daß der bosnische Präsident Izetbegović diesem Plan dennoch zustimmen mußte, zeigt nur, wie stark er von der UNO unter Druck gesetzt worden ist und daß die endlich ausgesprochene Androhung militärischer Maßnahmen von seiten der USA in der UNO selbst unterlaufen wird.
Dabei bleiben die Prämissen der UNO-Politik äußerst fragwürdig. Es handelt sich nicht um einen „Konflikt“ zwischen gleichberechtigten Partnern, sondern um einen Krieg, der aus einer wohlkalkulierten und zielstrebigen Politik der serbischen Seite entsprungen ist. Das Ziel, die moslemische Bevölkerung zu vertreiben, steht im Vordergrund: Sie braucht nicht unbedingt direkt mit Mord und Vergewaltigung, sondern kann auch indirekt mit Hilfe der UNO verfolgt werden. Wenn selbst in Deutschland eilfertige Rundfunkkommentatoren im Umstand, daß die Serben dem Vorschlag Morillons zustimmten, ein „Nachgeben“ sehen, zeigt dies nur, daß viele erleichtert wären, wenn das „Bosnienproblem“ endgültig gelöst wäre. Daß „diese Lösung“ nur zu Lasten der moslemischen Bevölkerung vor sich gehen kann, wird leichtfertig hingenommen. Oder verbirgt sich dahinter sogar die heimliche Sympathie mit jenen, die vorgeben, einen „islamischen Staat“ in Europa verhindern zu wollen?
Wäre dies so, die Schande für Europa wäre noch größer, als sie jetzt schon ist. Vieles spricht dafür. Wie ist zu erklären, daß nach all den Verbrechen nach wie vor ein paternalistisches Verhältnis zur muslimanisch- bosnischen Bevölkerung aufrechterhalten wird? Obwohl Bosnien als anerkannter Staat nach Artikel 51 der UNO-Charta das Recht auf Selbstverteidigung hat wie jedes andere UNO-Mitglied, wird der bosnischen Bevölkerung gerade dieses Recht beschnitten. Daß das Waffenembargo gegenüber der bosnischen Armee aufrechterhalten und die Entwaffnung der Angegriffenen gefordert wird, zeigt das tiefe Mißtrauen gerade gegenüber jenem Bevölkerungsteil in Bosnien, der bisher für die multikulturelle Identität Bosniens stand und steht und keineswegs für einen islamischen Staat. In dem Embargo kristallisiert sich eine Art paternalistischer Rassismus. Dies sollten auch jene Friedensfreunde bedenken, die sich immer noch gegen die Aufhebung des Waffenembargos aussprechen. Sie geraten in Gefahr, Beihilfe zur „ethnischen Säuberung“ und letztlich zum Völkermord zu leisten. Erich Rathfelder
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