: Der Tschetschenien-Krieg ist verfassungsgemäß
■ Moskauer Gericht beurteilt die Dekrete Jelzins als rechtmäßig / Präsident Dudajew lehnt in einem Interview russisch-tschetschenisches Militärabkommen ab
Moskau (dpa/AFP) – Der russische Einmarsch in Tschetschenien war verfassungsgemäß. Zu diesem Urteil kam gestern das Verfassungsgericht in Moskau. Das Dekret von Präsident Boris Jelzin „Über Maßnahmen zur Unterbindung der Tätigkeit ungesetzlicher Banden auf dem Territorium Tschetscheniens ...“, auf dessen Grundlage die russischen Truppen am 11. Dezember 1994 in Tschetschenien einmarschiert waren, ist demnach rechtmäßig. Das Urteil fiel jedoch nicht einstimmig. Drei der 19 Verfassungsrichter stimmten dem Urteil nicht zu, fünf Richter wichen in einigen Punkten von der Mehrheit ihrer Kollegen ab. Damit wurde eine Klage von Abgeordneten des Parlaments abgewiesen, die den Tschetschenien- Einsatz der Armee für verfassungswidrig halten. Nach ihrer Ansicht hätte Jelzin zuvor den Ausnahmezustand verhängen müssen. Als nicht verfassungskonform beurteilte das Gericht allerdings die Ausweisung von Journalisten und die Deportation von Bürgern aus dem Kriegsgebiet.
Dem Verfassungsgericht lagen insgesamt drei Erlasse des Präsidenten vor. Über ein Dekret zur Militärdoktrin Rußlands sowie ein zweites, bisher nicht veröffentlichtes Dokument, wollte das Gericht kein Urteil fällen, da sie sich hierfür nicht zuständig sahen. Unklarheit herrschte gestern über die Haltung des tschetschenischen Präsidenten Dschochar Dudajew. In einem Interview von Radio Swoboda lehnte er das am Sonntag in Grosny unterzeichnete Militärabkommen ab. Der russische Unterhändler Arkadi Wolski präsentierte dagegen in Moskau ein Dokument, in dem Dudajew dem Vertrag schriftlich zustimmt. Das Abkommen sieht unter anderem eine Entwaffnung der tschetschenischen Kämpfer und einen schrittweisen Rückzug der russischen Truppen vor.
„Ich habe den Eindruck, daß es sich (bei den Tschetschenen) um Leute handelt, die es als Pflicht ansehen, das Abkommen einzuhalten“, sagte Michail Krasnow, Rechtsexperte von Präsident Boris Jelzin. Die vorangegangen Äußerungen Dudajews, das Abkommen sei durch russischen Druck auf die tschetschenische Seite zustande gekommen, bezeichnete Krasnow als Unsicherheit. Möglicherweise baue sich eine Gegenbewegung zu dem Separatisten-Führer auf.
Ungeachtet der ersten Einigung zur Beendigung des Krieges haben tschetschenische Kämpfer in der Nacht zum Montag nach russischen Angaben erneut Stellungen der Gegenseite angegriffen. Dabei sei ein russischer Soldat verwundet worden. Insgesamt hätten die Tschetschenen 20 Angriffe gestartet, vor allem in der Nähe der Hauptstadt Grosny.
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