: Der Triumph des Lachens
■ Die »Clowns«, präsentiert vom »Roncalli«-Chef, in der Freien Volksbühne
Der Circus »Roncalli« hat sich mit der originellen Aufbereitung traditioneller Inhalte einen guten Namen gemacht. Sein Anspruch war immer, neben handwerklichen Höchstleistungen in erster Linie Poetisches und positiv Kindliches zu zeigen. Nun präsentiert Zirkusleiter Bernhard Paul ein Programm, das »nur« aus einzelnen Clownsnummern besteht und gibt damit einen Überblick über die mannigfaltigen Variationen, die hinter dem Wort »Clown« verborgen sind.
Eintritt in eine andere Welt schon im Foyer der »Freien Volksbühne«: Statt gewohnter sachlicher Atmosphäre mit kalter Beleuchtung gibt es bunte Lichterketten und kostümierte Damen, die Clownnasen und Programmhefte verteilen. Das Programmheft, auf die Rückseite eines Plakats gedruckt, erzählt übrigens unter dem Titel Kinder des Olymp die Historie des Clownstheaters.
Auf dem geschlossenen roten Vorhang der Bühne: ein trauriges Gesicht mit weißer Nase. Während im Hintergrund klassische Zirkusmusik spielt, verändert sich dieses Gesicht, bis der Mund ein Lachen zeigt und die Nase vor Röte glüht. Durch die Nase bricht sodann der Weißclown hervor, um das Publikum zu begrüßen. Der Vorhang öffnet sich. Zu sehen ist das Orchester vor einem gemalten Universum mit blinkenden Sternen. Palmen stehen davor, und über allem prangt ein leuchtender Regenbogen. Unter dem Schnürboden hängt eine überdimensionale Maske des venezianischen Karnevals mit zwei ebenso großen dirigierenden Händen. Rechts und links stehen zwei sechs Meter große Figuren der Commedia dell'arte. Ein Wunderland.
Einer der »I Colombaioni« ist ein schon etwas älterer Herr mit zerzaustem weißem Haar. Schon sein Erscheinungsbild, wie auch die tragikomischen Bemühungen des »Kleinen«, groß zu erscheinen (durch fuchtelnde Gesten und böse Blicke), wirken unwahrscheinlich komisch. Seine Versuche, das Orchester zu dirigieren, werden begleitet von lauten Lachsalven und enden für ihn, durch mehrfache Stürze vom Podest, am Boden.
Mit Peter Shub folgt ein moderner Clown in Trenchcoat und Käppchen. Was er mit einer Minikamera und den Tücken eines Stativs anstellt, gehört zur Spitzenklasse in Sachen Komik. Waren diese beiden Nummern einfach nur wortlos komisch, so schleicht sich bei der Szene von Gaston, Pipo und Zippo (Bernhard Paul mit Nase) die Gewißheit ein, daß der direkte Weg zum Herzen gar keiner Worte bedarf und man sie deshalb besser wegläßt. Denn die Bemühungen der Drei, einen nicht gerade zum Lachen reizenden Zaubertrick mit Wortwitz zu retten, führt eher zu Verzögerungen im schnellen Spielablauf und ist so Sand im Getriebe.
Mit »Shmarlovski« sehen wir dann eine ganz andere Art von komischer Unterhaltung: Er führt Zaubertricks (die natürlich nicht gelingen) mit dressierten Tieren vor, wobei diese immer die Gewinner (der Herzen) bleiben. Gekrönt wird dieser Auftritt durch die Kostümierung einer Dame aus dem Zuschauerraum mit einem Pelzmantel. Denn auch die Dame muß erschreckt feststellen, daß die Tiere, die sie trägt, keinesfalls tot sind, und so wird aus dem Fuchsschwanz ein lebendiger Fuchs, der ihren Hals verläßt, und der Mantel löst sich in unzählige davonspringende Nerze auf. Beeindruckend perfekt.
Nach der Pause folgt, nach einem eher zum Lächeln anregenden Sketch von Gaston, Pipo und Zippo, ein Wiedersehen mit dem »I Colombaioni«-Solisten. Er zeigt die klassische, aber selten so hervorragend gespielte »Kellner-Szene« und erntet damit tosenden Applaus. »Tandarica« ist der Name zweier Italiener, deren Ausdrucksform eher in der subtilen Komik liegt. Ihre Schwierigkeiten der Verständigung und Zusammenarbeit finden in einer kleinen Commedia-dell'arte-Szene ihren Ausklang. Dann treten »Tino und Toni« in roten Pluderhosen auf und beweisen nicht nur komödiantische Fähigkeiten, sondern auch Akrobatik allererster Sahne, so daß die Zuschauer nach pausenlosem Staunen eine Zugabe erklatschen. Das Wiedersehen mit Peter Shub läßt dann auch die Kinder in den älteren Menschen erwachen, indem sie auf sein Kommando und in Sektionen unterteilt klatschen und jaulen dürfen. Zum Abschluß des Abends verkuppelt er auf der Bühne zwei wildfremde Menschen, nicht ohne ein hämisches Grinsen an die im Zuschauerraum verbliebenen Ehepartner zu richten.
Der stürmische Beifall der Zuschauer unterstreicht die Feststellung, daß die »Clowns« (auch mit ihren Schwächen) ein grandioses Highlight in dieser Stadt darstellen. Trotz happiger Eintrittspreise ist der Besuch ein unbedingtes Muß. York Reich
Weitere Aufführungen: Täglich bis zum 31.12. jeweils um 20 Uhr in der Freien Volksbühne, Schaperstr. 24, 1/15.
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