Der Trend zur Abschreckung

■ Vom preußischen Tschako zum gerüsteten Straßenkämpfer: Seit der Schlacht am Tegeler Weg am 4.November 1968 hat sich nicht nur das Outfit der Polizei radikal verändert / Der Trend zum Grünen oder Tarnung, Strategie und Schlagtechnik sind alles

Heute gibt es sie nur noch in der Form von Nußknackern, die Berliner Polizisten in langen Mänteln und preußischem Tschako. Am 4.November 1968 prägten sie noch leibhaftig und zum letzten Mal das Bild der Stadt während einer Demonstration. Als damals die fünfhundert Polizisten, davon ein Teil auch mit Helmen ausgestattet, hinter dem Landgericht am Tegeler Weg bei Bockwurst, Gulaschsuppe und Cola auf ihren Einsatz warteten, waren sie auf eine der üblichen APO-Demonstrationen vorbereitet.

Hinter Straßensperren aus Stahl verschanzt, ahnten sie nicht, daß sie die blutigste Straßenschlacht der Berliner Nachkriegsgeschichte erwartete. Helme trugen vor allem die Demonstranten und Presseleute. Als die ersten Steine auf die Polizeikette vor dem Landgericht niederprasselten, ging die Polizei reihenweise zu Boden. Mit Wasserwerfern, Tränengaspatronen und Schlagstock rückten sie gegen die etwa tausend Demonstranten vor. Die Bilanz: 130 verletzte Polizisten und 21 verletzte Demonstranten.

20 Jahre später hat sich die Polizei nicht nur äußerlich verändert. „Selbstverteidigung mit Schlagstock“, „Gewandheitslauf in kompletter Schutzausrüstung mit Schild und Stock - auch über eine Hindernisbahn, mit Zeitnahme“, „mit Schlagtechniken die wirkungsvolle Festnahme von Straftätern vorbereiten“ steht heute auf dem Trainingsprogramm der „einsatzbezogenen Ausbildung“ der EbLT. Die vielen polizeilichen Sonderkommandos, die recht bald den Korpsgeist von Elitetruppen entwickelten, wurden in den siebziger Jahren eingeführt.

Daß die Polizei sich für Demonstrationen künftig besser rüsten würde, war jedoch längst vor der für die Polizei verlorene Straßenschlacht beschlossene Sache. Gleichzeitig rüstete die Polizei in anderer Hinsicht ab. Die Granatwerfer und Handgranaten waren obsolut geworden, nachdem der Kalte Krieg abgeklungen war und sich die Polizei nicht mehr für den eventuellen Bürgerkrieg bereitzuhalten hatte.

Durch die Notstandsgesetze war zudem auch die Bundeswehr mit weitergehenden Befugnissen ausgestattet worden. Doch die Zeiten der Tschako-tragenden Beamten in geschlossenen Einsätzen war seit der Steine-Attacke endgültig vorbei.

Von Kopf bis Fuß wurden die heute so nostalgisch anmutenden Freunde und Helfer bei Demonstrationen immer martialischer neu eingekleidet. Dem historischen Tschako wich der Helm mit Visier, lange Mäntel wurden schließlich durch Overalls ersetzt. Auch die von Ex-Polizeipräsident Hübner nach seinem Amtsantritt 1969 eingeführten „Psychobullen“, die durch Argumente statt Prügel deeskalierend wirken sollten, hielten die allgemeine Tendenz zum kämpferischerem Outfit nicht auf.

Was seit Anfang der siebziger Jahre aus den Wasserwerfern spritzte, führte nicht nur wie weiland am Tegeler Weg zu nassen Hosen und Erkältungen, sondern rührte seitdem häufig dank CN-Zusatz sofort zu Tränen. Wie bei Eishockey- und Rugbyspielern ging man schließlich dazu über, Schultern, Arme, Schienbein und bei dem angeblich starken Geschlecht das empfindlichste Teil durch Plastikschalen zu schützen. Anders als die Sportler sind die Polizisten noch dazu mit einem Plastikschild versehen.

Als man in den siebziger Jahren noch singen konnte, wie blau der Mariannenplatz vor lauter Bullen war, muteten die nunmehr grün Eingekleideten allein durch die Farbe noch weit weniger militärisch an als heute. Der Trend zum Grünen bei den Berliner Polizisten wurde während der IWF-Tagung noch konsequent nach oben hin fortgesetzt. Grüne Tarnkappen, über die weißen Helme gestülpt, sollten verhindern, daß potentielle Steinewerfer die weißschimmernden Helme treffen könnten, erläuterte die Polizei.

1983 wurden die Knüppel aus Eschenholz durch Schlagstöcke aus Kunststoff mit einem Glasfaserkern ersetzt. Die Holzknüppel waren beim Prügeln häufig auseinandergebrochen.

Doch vielleicht wird eines Tages der Polizist im Kampfanzug mitsamt seinem Kunststoffknüppel als Holzmodell im Handel sein - wie jetzt schon sein Kollege mit dem Tschako.