piwik no script img

Der Traum vom eigenen Häuschen

■ Obdachlose helfen sich selbst und bauen ein Wohnprojekt

Es riecht nach frischem Holz, und auf dem Giebel fehlen nur noch die Firstziegel. In drei Tagen haben Obdachlose unter Anleitung eines Zimmermanns das Modellhäuschen in einem Pankower Vorgarten aufgebaut. Noch liegt Werkzeug herum, doch Rolf hat sich auf den vier mal vier Metern mit einer Matratze und einem schwarzen Ledersofa schon häuslich eingerichtet.

„Man muß ja immer erst beweisen, daß es geht“, meint Frank Kußmaul, „sonst glaubt einem das wieder keiner.“ Das Vorführmodell soll bald in Serie gehen. Die Gruppe um die Obdachlosenzeitung Die Platte ist ihrem Traum eines Wohnprojektes damit einen großen Schritt näher gekommen. Den Pachtvertrag für ein zwei Hektar großes Grundstück am Rand von Bernau haben sie in der Tasche. Auf dem Gelände einer verfallenen Gärtnerei wollen sie bis Ende November zehn dieser sogenannten Nur-Dach-Häuser aufbauen. Sie werden etwas größer ausfallen als das Modell und können dann auch zwei Personen ein Zuhause bieten. Sie sind frostsicher, vollisoliert und haben Anschlüsse für Strom, Wasser und eine Heizung. Und sie sind preiswert: rund 8.000 Mark fallen für Materialkosten an. „Mit dem Erlös unserer Zeitung können wir zwei bis drei Häuser pro Monat finanzieren“, schätzt Sabine.

„Wir sind stolz, daß wir das ohne fremde Hilfe machen“, sagt Dirk Kußmaul, der die Häuser entworfen hat. „Das Gefühl, selbst was geschaffen zu haben, ist wichtig“, meint auch sein Bruder Frank. Auf staatliche Stellen mag sich die Gruppe nicht mehr verlassen. Nachdem im Mai ihre Bauwagen auf dem Mauerstreifen vor Frohnau geräumt wurden und sich auch die Hoffnung zerschlug, das zerfallende Rittergut im benachbarten Stolpe instandzusetzen, hatten sie mit einem Aufruf in der Platte mehr Glück. Ein Westberliner, der das Grundstück bei Bernau geerbt hatte, war bereit, es ihnen zu günstigen Konditionen zu überlassen.

Jetzt hofft Frank Kußmaul, daß die Kreisverwaltung Bernau schnell eine Baugenehmigung erteilt. „Normalerweise dauert so etwas sechs Monate. Wir hoffen, daß es innerhalb von zwei bis drei Monaten geht. Unsere Verkäufer fragen schon, wann es endlich losgeht.“ Und Platte-Redakteur Rolfi ergänzt: „Die Leute verfallen in depressive Phasen, wenn immer wieder bürokratische Hürden auftauchen. Das haut ganz schön in'n Kopp.“

Neben den Giebelhäusern sollen auch ein oder zwei feste Gebäude gebaut werden, eines für die Küche und einen Speiseraum und eines für sanitäre Anlagen. Sabine hofft, daß mit dem Projekt auch Arbeitsplätze geschaffen werden können. Auf dem Gelände könnten Blumen oder Gemüse angebaut werden. Zur Gruppe gehört ein gelernter Koch, ein anderer könnte, wie schon in der „Plattenburg“ einen Lebensmittelkiosk aufmachen. Sabine wünscht sich auch ein Café, das natürlich auch den Anwohnern offenstünde. Dorothee Winden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen