: Der Tapetenmusterknabe
Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Christian „der Lächler“ Wulff
In Niedersachsen stehen die Ampeln auf Schwarz. Seit die CDU am 2. Februar 2003 in die Trompete eines triumphalen Urnengangs stieß und den der Wahlniederlage überführten Sigmar Gabriel in den Keller sperrte, lächelt in Hannover nur noch ein einziger Name: Christian Wulff. Wer aber ist der Mensch hinter diesem Lächeln eines trockenen Tapetenmusters?
Nett, aber harmlos, freundlich, aber bescheiden, langweilig, aber uninteressant – so wirkt der wohl erzogene Dreiundvierziger auf Außenstehende. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit, wie Freunde wissen: Denn Christian Wulff ist auch höflich, aber zurückhaltend, menschlich, aber sachlich, solide, aber leidenschaftslos. Erst im dritten Anlauf eroberte er die Palme des niedersächsischen Siegeslorbeers; sowohl 1994 wie 1998 hatte er es nicht vermocht, lang genug im Ohr des Wählers zu verweilen, und ging dem Bürger oben rein und unten wieder raus. Das war schon immer so: Christian Wulff muss oft dreimal Guten Tag sagen und in seiner Grußhand eine Reißzwecke verbergen, bis man auf ihn aufmerksam wird.
Seine Geburt wurde nicht einmal von der Mutter registriert, so still hatte der unscheinbare Säugling die Gebärkugel verlassen; nachträglich einigte man sich auf einen Termin im vergangenen Sommer, den 19. Juni 1959. Zwei Jahre später geht Papa Zigaretten holen, Klein Christian muss die nächsten 40 Jahre ohne väterliche Handschrift aufwachsen. Wie ein richtiger Junge Blut verspritzen und Fleischwunden ertragen, Spielzeug totprügeln, Mädchen die Zöpfe ausreißen und Schwächere entzweihauen, das lernt der artige und adrette Milchbubi deshalb nie. Anständig, wie er bis heute ist, hat Christian niemals eine Katze angezündet oder einen Behinderten im Rollstuhl umgekippt, wie andere normale Jugendliche. Stattdessen hilft der Musterknabe alten Frauen über die Straße, ohne sie mitten auf der Fahrbahn stehen zu lassen, erledigt Einkäufe für die Nachbarn, statt ihnen ihren zerkleinerten Lumpi durch den Briefschlitz zu schieben. Morgens und abends putzt sich das Muttersöhnchen brav die Zähne – auch heute noch, als erwachsener Ministerpräsident. Ohne Widerrede geht Mamas Liebling zu Bett und steht morgens bereitwillig auf. Ohne dass man es ihm extra sagen muss, wäscht sich der Schwachmat auch an den Stellen.
Heute ist das anders, doch in den Siebzigerjahren ist die Jugend kritisch und aufmüpfig, trägt Haare bis zu den Fußsohlen und enge Jeans, interessiert sich für die Dritte Welt. Christian Wulff aber will nicht sein wie alle, ist unkonventionell, staatstreu und brav, trägt kurze Haare und Stoffhosen mit Bügelfalte, interessiert sich für Niedersachsen. So gerät er in die Schülerunion und später, als er jung geworden ist, in die Junge Union.
Während seine angepassten Altersgenossen sich im Bücherdiebstahl üben und mit ungewaschenen Socken gefüllte Mollis auf Atombunker werfen, studiert der Außenseiter Christian Jura, heiratet nach gründlicher Prüfung der Rechtslage eine Juristin, willigt nach eingehender Güterabwägung in das Rechtsgeschäft der Zeugung einer Tochter ein und gestattet nach reiflicher Überlegung den gesetzlichen Kauf einer Mischlingshündin, die laut Wulff die „Seele des Hauses“ wird. Damit ist die Familie komplett, die im Osnabrücker Stadtteil Lüstringen beinahe lebt, einer ruhigen Gegend mit unauffälligen Einfamilien- und Reihenhäusern, ohne viel Verkehr auf der Straße und in den Wohnungen.
Von hier aus strickt Christian Wulff an der Macht und versucht, „die Argumente der Menschen mit Nachdruck zu formulieren“. 1994 mopst er der SPD das sicher gewähnte Osnabrücker Direktmandat direkt vom Teller und verspricht mithilfe eigener Worte im Wahlkampf 2003: „Ich will mich dafür einsetzen, dass der Erfolg der Osnabrücker CDU im ganzen Land erzielt wird!“
Was er denn auch erzielte. Und in diesem Sinn spricht sein Regierungsprogramm eine klare Sprache. Bescheidenheit und Sparen sind für die kommenden fünf Jahre die erklärten Grundpfeiler seiner Linie. Obenan steht das Wachstum des Wachstums und die Sicherstellung von Sicherheit, sowie überhaupt auch die Bildung von Bildung, wegen dass allen Deutsch gelernt wird.
Wulff spricht Klartext: Er will über ein breit gefächertes Spektrum an Inhalten die Aufgaben der Ziele in den Griff bekommen, um über ein effektives Programm zu den drängenden Fragen der Probleme die notwendigen Initiativen zu führen und Antworten geben auf die Angelegenheiten des Landes, auch Opfer, damit die Interessen zukunftsfähig werden im Sinne von mehr Nachdruck und Gestaltung, für den Bürger, dem Menschen. Jedenfalls wie Christian Wulff einer ist. PETER KÖHLER