: Der Streit ums Atomklo
■ Bei der End- und Zwischenlagerung atomaren Mülls vertreten die Grünen die Position der Anti-AKW-Bürgerinitiativen
Für die Grünen darf Niedersachsen nicht das „Atomklo Europas“ werden, für Gerhard Schröder nicht die „Atommüllkippe des Kontinents“. Dennoch werden gerade die niedersächsischen atomaren End- und Zwischenlager zum Streitobjekt der rot-grünen Koalitionsverhandlungen werden und dies nicht nur, weil es hier um Milliarden-Projekte geht. In dieser Frage vertreten die niedersächsischen Grünen eindeutig die Position der Anti-AKW-Bewegung: Sie wollen sich erst nach der Stillegung aller AKWs „an einem Konzept der sicheren Lagerung des atomaren Mülls beteiligen“. Konsequenterweise fordern sie den Abbruch des Genehmigungsverfahrens für „Schacht Konrad“, die Einstellung der Bauarbeiten am Gorlebener Endlager und der Pilotkonditionierungsanlage sowie ein Sanierungskonzept für das Salzbergwerk AsseII, in dem bis 1979 atomarer Müll „versuchsweise“ endgelagert wurde. Schließlich lehnen sie die Einlagerung von hochradioaktiven abgebrannten Brennlementen im Gorlebener Castor-Lager ab. Die Verhinderung der für die Einlagerung ungeeigneten Endlager wollen die Grünen auch „als Hebel zum Stopp des Atomprogramms“, zum Ausstieg von Niedersachsen aus, benutzen. Denn ohne Endlager fehlt den AKWs der Entsorgungsnachweis; sie sind stillzulegen.
Die niedersächsische SPD sieht sich „in der Mitverantwortung für die Entsorgung der Kernkraftwerke“. Voraussetzung dafür sei aber, „daß mit dem Ausstieg aus der Kernenergie konsequent begonnen wird“. Die Aussage zum Gorlebener Endlager ist dagegen noch einigermaßen klar: „Der Standort Gorleben ist als Endlager für radioaktiven Abfall aufgrund vorliegender Untersuchungsergebnisse ungeeignet.“ Eine Konditionierungsanlage halten die Sozialdemokraten schon immer nur an einem Endlagerstandort - und damit nicht in Gorleben - für sinnvoll. Überhaupt kein Thema ist der Atommüll in der AsseII.
Mit einer schwammigen Formulierung handelt das SPD-Programm das Endlager „Schacht Konrad“ ab, in das der Bund 95 Prozent des anfallenden Atommülls einlagern will. „Die Endlagerung atomaren Mülls aus Kernkraftwerken und die Entsorgung stillgelegter Kernkraftwerke im Schacht Konrad wird abgelehnt. Ob und inwieweit die Endlagerung anderen, nicht wärmeentwickelnden Materials in Frage kommt, muß der Lösung noch offener Fragen vorbehalten bleiben.“ Als „anderes Material“ waren in der Diskussion auf dem Programmparteitag und auch schon in einem früheren Beschluß der Landespartei „Abfälle aus Medizin und Forschung“ genannt worden.
Auf dem Programmparteitag in Delmenhorst hatte der damalige Spitzenkandidat mit einer flammenden Rede ein klares Votum gegen das Endlager verhindert. Auch die Rede von „atomarem Müll aus Medizin und Forschung“, mit dem sich der Landesverband zwei Jahre lang behalf, war immer nur eine Krücke zur innerparteilichen Konfliktvermeidung. Dieser Müll macht höchstens zwei Prozent des atomaren Abfalls aus; es ging darum, nicht für und nicht gegen Schacht Konrad zu sein.
Gegenüber der Bundes-SPD hat Gerhard Schröder seit langem ein atomares Endlager im Schacht Konrad zugesagt. Der Beschluß aller Länderministerpräsidenten, auch der SPD -geführten, aus dem vergangenen Jahr, wonach Schacht Konrad zügig in Betrieb gehen sollte, wurde vom damaligen SPD -Oppositionsführer in Hannover mitgetragen. In den Koalitionsverhandlungen werden die Grünen allerdings bei Schacht Konrad einen wichtigen Verbündeten haben. Der Braunschweiger Oberbürgermeister (SPD) Gerhard Glogowski, Mitglied der Verhandlungskommission, ist strikt gegen das Endlager und hat noch am Wahlabend erneut den Stopp des Projektes versprochen.
Ein weiterer Streitfall wird das Gorlebener Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente werden. Für das „Castor-Lager“ existiert zwar seit kurzem eine vollziehbare Einlagerungsgenehmigung, auf die eine Landesregierung keinen Zugriff mehr hat. Deswegen rechnet selbst die BI Lüchow -Dannenberg damit, daß auch unter einer rot-grünen Regierung in Hannover schon in den nächsten Monaten der erste Behälter mit Brennelementen, der erste „Castor“, nach Gorleben transportiert wird. Erst am Wochenende bereiteten sich Anti -AKW-BIs in ganz Niedersachsen per Aktionstag auf eine Blockade des kommenden Transportes vor. Die künftige Landesregierung hätte es allerdings in der Hand, auf Polizeibegleitung dieses Transportes zu verzichten. Eine solche Haltung wollen die Grünen festklopfen. Und das dürfte eine harte Nuß für die SPD werden.
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