piwik no script img

■ Der Streit um die Schließung des Berliner Schiller TheatersEin bürgerliches Trauerspiel

Die letzte Inszenierung des Schiller Theaters ist auch seine beste. Dafür sorgt eine Dramaturgie, die, welch vorsorgliche Hand, die Hauptrolle nicht ans Haus vergab, sondern dem Berliner Senat zugesprochen hat. Dieser verschaffte der traditionsreichen, hochsubventionierten Bühne vor einigen Tagen mit einem Federstrich ein Begräbnis erster Klasse. Gewaltig ist seither das Wehklagen, das in den (meisten) Feuilletons und auf den Bühnen landauf, landab anhebt – einem Abgesang auf die deutsche Kulturnation schlechterdings gleich. Kein Wort mehr davon, was dies Erbe eigentlich wert sei: Die Charge des Finsterlings, die der Berliner Senat so gründgens-schönschaurig ausfüllt, läßt die Reihen reflexartig schließen. In ihnen finden sich jene, die nach den Haushaltsbeschlüssen der Landesregierung insgeheim den eigenen gesicherten Subventionen die gleiche Aufmerksamkeit widmeten wie den nun fehlenden der ehedem größten deutschen Bühne. Und auch jene, die schon in den Jahren zuvor Inszenierung um Inszenierung den siechenden Tod der Bühne an der Bismarckstraße herbeikommentiert haben. Man muß zwischen all dem keinen Zusammenhang sehen, wenn man meint, Kultur darf sich nicht am Geld messen lassen. Man kann aber diesen Zusammenhang sehen, und, wie der Berliner Kultursenator Ulrich Roloff-Momin, diesen Claqueuren Heuchelei vorwerfen.

Doch ist es nicht nur Heuchelei, wenn der Berliner Tagesspiegel in einer obszön menschelnden Art von einem „Mordfall“ Schiller Theater redet und Bild „Berliner, rettet das Schiller Theater“ skandiert. Da wird der Geist der Frontstadt beschworen, als dessen kulturelles Kernstück die Feuilletons nun die Barlog- Ära nochmals Revue passieren lassen. Das Westberliner Bürgertum und mit ihm die alte BRD sieht eine seiner traditionellen Kulturbastionen wanken. Wen wundert's, wenn die Berliner CDU da weiche Knie kriegt und ihr Fraktionsvorsitzender, Klaus Landowsky, gestern den Verlust der kulturellen Identität Westberlins als Menetekel an die Wand malte. Er sabotierte damit die ersten ernsthaften Schritte der Landesregierung zur Umverteilung in Richtung Osten, kaum daß sie gegangen wurden. Bewußt geht er dabei das Risiko ein, daß die Regierungsfähigkeit des von Eberhard Diepgen (CDU) geleiteten Senats in Frage gestellt wird. Die Auseinandersetzung darüber, welchen Preis der Westen für die Integration des Ostens zu zahlen bereit ist, wird damit eingeläutet. In diesem bürgerlichen Trauerspiel wurde mit der Debatte ums Schiller Theater der erste Akt eröffnet. Dieter Rulff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen