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■ Der Streit bei der JUKeine Schadenfreude

Die spannendste Frage kam auf der gestrigen Landeskonferenz gar nicht mehr aufs Tapet: Wie hätten sich die mehrheitlich konservativen Delegierten zu jenen beiden Anträgen gestellt, die eine Verurteilung des jüngst in Berlin erlassenen Verbots der Reichskriegsflagge forderten? Zuvor hatten die Liberalen innerhalb der CDU- Nachwuchsorganisation die Versammlung platzen lassen, zogen sich mit ihren Vertretern aus dem Landesvorstand zurück. Dabei ging es nur vordergründig um eine personelle Frage. Die Junge Union durchzieht ein tiefer Riß. Er trennt jene, die die liberalen Werte der bürgerlichen Gesellschaft im Auge haben, und jene, die auf nationalkonservative Werte setzen.

Es wäre jedoch falsch, die Auflösungssymptome bei der JU mit unverhohlener Schadenfreude zu begleiten, nur weil sie sich in der Nachwuchsorganisation einer konservativen Partei zeigen. Exemplarisch läßt sich daran ablesen, wie Teile der parteipolitisch gebundenen Jugend an einer schleichenden Rechtswende arbeiten. Auch in den Nachwuchsorganisationen von FDP oder SPD sind solche Tendenzen seit längerem erkennbar. Ein Antrag wie der zur Reichskriegsflagge läßt sich nicht als „Jugendsünde“ abtun, wie das viele Konservative in der CDU versuchen werden. Man muß die JU nicht mögen, um über solche Entwicklungen alarmiert zu sein. Die Verfasser dieser Forderungen wollen weit mehr als nur provozieren. Sie kennen die geschichtlichen Hintergründe, für die symbolisch eine solche Fahne steht. Kurz gesagt: Sie wollen eine andere Republik. Das Beispiel der JU zeigt anschaulich, daß die vielgepriesene Bindungskraft der demokratischen Parteien nicht mehr nur bei den Wählern, sondern auch in den eigenen Reihen nachläßt. Severin Weiland

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