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Archiv-Artikel

Der Stolz der Stadt

KÖLN Als Kämpferin für ihr Schauspielhaus hat die Intendantin Karin Beier in Köln gepunktet. Jetzt wirbt das Hamburger Schauspielhaus um sie

Zu einer Zeit, in der das Theater überall Erfolge feiert, setzt die Stadt den Zuschuss herab

Vor einem Jahr rollte Karin Beier, die Schauspielchefin der Stadt, als Gallionsfigur auf einem Wagen im Rosenmontagszug ganz vorne mit. Mit dem Gefährt, von Künstlern gestaltet, wurde gegen den Abriss des denkmalgeschützten Schauspielhauses am Offenbachplatz demonstriert. Zwölf Monate später hat diese Intendantin endgültig nicht nur die Stadt Köln, sondern ganz Theaterdeutschland für sich eingenommen. Die Sanierung ihres Theaters hat sie durchgesetzt, und ihr Haus wurde zu Recht Theater des Jahres. Am Ende setzte Beier noch eins obendrauf und inszenierte fulminant ein Stück über den Einsturz des Historischen Stadtarchivs, das Elfriede Jelinek für ihr Haus geschrieben hatte. Kein Publikum ist zurzeit so stolz auf seine Intendantin wie das in Köln.

Doch der Politik und Verwaltung von Köln ist das offenbar nichts wert. Das zeigt sich allerspätestens jetzt, wo Beier aus Hamburg das Angebot erhalten hat, das Deutsche Schauspielhaus, Deutschlands größtes Sprechtheater, ab 2013 zu leiten. Dort ist Wahlkampf. Beier hat die Offerte dennoch als „große Verführung“ bezeichnet und nicht versäumt, Forderungen für einen Wechsel an das von einschneidenden Etatkürzungen betroffene Hamburger Schauspielhaus zu stellen.

Wer wollte es ihr verdenken, wenn sie Köln tatsächlich den Rücken kehrte. Selbst wenn ihr Vertrag erst 2014 endet. „Die Sünden der Vergangenheit in Köln stehen“, formuliert sie ihre Position in der aufgeregten Diskussion und meint damit den Umgang der Stadt mit seinem Theater. „Am schlimmsten war die Kürzung unseres Zuschusses“, sagt sie. Denn auch in Köln wurde dem Schauspiel im Herbst der Betriebskostenzuschuss um 1,3 Millionen Euro herabgesetzt. Zu einer Zeit, als dieses Theater gerade überall Erfolge feierte, mit mehrfachen Einladungen zum Theatertreffen in Berlin. Beier betrachtet das Handeln der Kommune „als ein Zeichen dafür, welchen Wert dieses Theater für die Stadtoberen hat“. Da macht es kaum noch etwas aus, dass ihr nur die Grünen zu ihren Erfolgen gratuliert haben sollen und Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) nicht gerade mit Präsenz in dem Haus geglänzt hat, das in seiner Stadt als einziges im Aufwind ist.

Die Intendantin befindet sich durch die Hamburger Werbung in einer gestärkten Verhandlungsposition. Köln muss sich die Frage stellen, wie viel ihr der reale und der symbolische kulturelle Gewinn, den sie aufgrund von Beiers Leistungen eingefahren hat, tatsächlich bedeutet. Die Theaterleiterin verhandelt, sagt sie, außerdem mit einer dritten Stadt. Nur ein Bluff? In einem weiteren Streit, der Frage, ob die Nebenspielstätte Kleines Haus, unmittelbar neben dem Großen, saniert – wie von Beier gewünscht – und nicht etwa ausgelagert wird, bewegt sich in den Ratsfraktionen die Stimmung ebenfalls in Richtung Beier. Ist die Stadtspitze tatsächlich (immer noch) beleidigt, weil Beier den Abriss gegen deren Willen verhindern konnte? Ach so, es ist Karneval.

Diese Woche, erzählt die Intendantin noch, gehen die Gespräche mit Roters weiter, auch über ihren möglichen Weggang. „Ergebnisoffen“, versteht sich.

ALEXANDER HAAS