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Archiv-Artikel

Der Staat tut sich schwer beim Töten

Weil zwei Anästhesisten ihre Teilnahme verweigerten, wurde eine Hinrichtung in Kalifornien verschoben

BERLIN taz ■ Zwei Stunden vor der geplanten Hinrichtung eines Todeskandidaten im kalifornischen St. Quentin ist die Exekution am Dienstagabend auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Wann, ob und wie der 46-jährige Michael Morales doch noch vom Staat getötet werden soll, ist derzeit völlig unklar.

Die Gründe für den Aufschub sind im US-amerikanischen Todesstrafensystem einzigartig. Morales’ Anwälte – darunter Kenneth W. Starr, der 1998 als Sonderermittler der Clinton/Lewinsky-Affäre Schlagzeilen gemacht hatte – hatten erfolgreich argumentiert, die Hinrichtung durch die Giftspritze sei „grausam“ und verstoße somit gegen die US-Verfassung. In der vergangenen Woche hatte ein Bezirksrichter daraufhin angeordnet, die Hinrichtung müsse unter Anwesenheit zweier Anästhesisten stattfinden, die sicherstellen sollten, dass Morales keine unnötigen Schmerzen erleide und das tödliche Gift ordnungsgemäß gespritzt würde. Die Hinrichtung sollte am Dienstag um 0.01 Uhr Ortszeit stattfinden. Als aber kurz zuvor die beiden ausgewählten Anästhesisten, deren Namen nicht öffentlich bekannt wurden, ihre Teilnahme wegen ethischer Bedenken absagten und sich beim besten Willen kein Ersatz finden ließ, schlug der Staat ein anderes Verfahren vor: Morales sollte mit einer extra starken Dosis Natriumpentothal hingerichtet werden: Das Barbiturat würde ihn erst bewusstlos machen und dann binnen 45 Minuten umbringen. Die Hinrichtung sollte nun um 19.30 Uhr stattfinden.

Doch damit gab sich der Richter nicht zufrieden: Er ordnete an, dass die Droge von einem Arzt direkt in die Venen gespritzt werden sollte, statt wie bislang vom Justizpersonal durch Schläuche von außerhalb der Hinrichtungskammer. Der Arzt, der Morales die tödliche Spritze verabreichen sollte, dürfe „geeignete Kleidung tragen, um seine Anonymität zu wahren“.

Davon wollten die Behörden wiederum nichts wissen und drängten stattdessen darauf, Morales genauso umzubringen wie elf Menschen vor ihm: Durch die Schläuche wird zunächst Natriumpentothal gespritzt, um den Gefangenen bewusstlos zu machen, dann zwei andere Drogen, die seine Muskeln lähmen und sein Herz stoppen. Ob der Staat so verfahren darf, soll nun aber erst nach einer Anhörung entschieden werden, die voraussichtlich im Mai stattfindet.

Morales war 1983 zum Tode verurteilt worden, weil er zwei Jahre zuvor, als knapp 21-Jähriger, eine 17-jährige Frau erst halb totgeschlagen, dann vergewaltigt und schließlich mit zahlreichen Messerstichen ermordet haben soll.

Unter den Ärzteorganisationen der USA ist nun eine Debatte darüber entbrannt, ob die Beteiligung von Ärzten an Hinrichtungen überhaupt mit dem hippokratischen Eid zu vereinbaren ist. BERND PICKERT