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Archiv-Artikel

Der Spekulant

Der Millionär Klaus Barski schreibt vom wahren Leben, von seinem Leben, um genau zu sein. Und damit möchte er der bekannteste deutsche Schriftsteller werden. Ein Porträt

VON BARBARA BOLLWAHN

Das Telefon klingelt. In einem Affenzahn legt der Anrufer los. „Tach, hier Klaus Barski aus Florida. Erinnern Sie sich?“ Ohne auch nur den Hauch einer Antwort abzuwarten, legt er los. „Ich wollte Ihnen nur sagen, ich wohne jetzt wieder in Deutschland. Ich habe mir in Königstein im Taunus eine Villa gekauft, die mal Deutschlands größtem Textilfachmann gehörte. In der Nähe ist auch die Villa, in der der Schneider, Sie wissen schon, der Immobilientyp, seinen Firmensitz hatte.“ Endlich, der Anrufer holt Luft. Aber nur ganz kurz. „Ja, okay, ich weiß, Sie haben nicht viel Zeit. Ich wollte Ihnen nur sagen, mein neues Buch ist jetzt raus! ‚Exil Ibiza‘. Ich melde mich wieder.“

Mein Gott! Klaus Barski. Dieser Millionär aus Frankfurt, der im Mai 2001 von Florida nach Berlin geflogen kam und am Kurfürstendamm echte und falsche Dollarnoten verteilte. Um Werbung für sein damals drittes Buch „Der deutsche Konsul“ zu machen. „Millionär schmeißt heute Geld vom Dach“, hatte die Bild ihre Leser heiß gemacht. Weil ihm aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt wurde, die Scheine vom Europa-Center zu werfen, musste er sich mit seiner großen Klappe, dem Gehweg und ein bisschen Wind begnügen.

Das tat seinem Optimismus aber keinen Abbruch: „Ich will der bekannteste Schriftsteller Deutschlands werden“, verkündete er. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Kurze Zeit später ruft er erneut an. Und wieder spricht er so ohne Punkt und Komma, dass einem ganz schwindlig wird. „Hier noch mal Barski. Ich werde mein neues Buch ganz groß in Ibiza vorstellen! Die Topleute der schrillen deutschen Residentenszene werden kommen. Hemmungslos wahnsinnige Leute! Meine wilde, abgehobene Ibiza-Story sollte eigentlich ‚Scheiß Ibiza‘ heißen, aber das gefiel dem Verlag nicht. Ich rufe wieder an, wenn ich zurück bin.“ Keine leere Drohung. „Ja, hier Barski wieder. Bin aus Ibiza zurück und habe die Fiffihosen dort mit einer Flugzeugladung meiner Bücher eingedeckt! Und in Deutschland mache ich wieder eine Promotiontour. Mit meinem Rolls. Ich habe so zwei Schaufensterpuppen mit im Auto. Total abgedreht!“

Ist Barski ein durchgeknallter Millionär, der nicht weiß, wohin mit seinem Geld? Ein eitler Geck, der sich mit Begeisterung von RTL als „Hessens schrägsten Millionär“ mit dem „wohl skurrilsten Werbefeldzug des Jahres“ präsentieren lässt? Oder ist er einfach nur einer, der macht, was er will, egal, was die anderen denken? Mit einem kecken roten Tüchlein um den Hals, einem Sticker „Exil Ibiza“ am schwarzen Hemd, einer Goldrandbrille und einer „Cannes Filmfestival“-Mütze auf dem Kopf, steht er auf dem Frankfurter Bahnhof. Gleich auf dem Bahnsteig legt der Sechzigjährige im gewohnten Tempo los. „So ’ne Scheiße. Ich habe mir in Ibiza das Armgelenk gebrochen. Ich hatte so neue italienische Schuhe mit geriffelter Sohle an und bin gestürzt.“ Der Unterarm sieht noch etwas schlaff aus. Doch Barski hält sich mit solchen Kleinigkeiten nicht auf. „Ich will der neue Thomas Mann werden“, sagt er und öffnet die Beifahrertür. Es ist nicht sein geliebter Rolls-Royce. Der ist in der Werkstatt. Deshalb das Mercedes-Coupé seiner Frau. Für Barski „ein Spaßauto“.

Auf der Fahrt von Frankfurt nach Königstein kommt Barski sofort auf den Punkt. „Die Geschichte ist Folgende“, sagt er und zieht die Mütze in die Stirn. „Ich habe nicht vor, den Pulitzerpreis zu gewinnen, aber ich will ganz hoch in die Bestsellerlisten!“ Schriftsteller, die zehn Jahre lang an einem Manuskript feilen, Bücher über den Zweiten Weltkrieg oder südamerikanische Befreiungskämpfe, nee, das ist nichts für Barski. Er braucht nur wenige Monate für ein Buch, und um hohe Literatur geht es ihm nicht. „Ich schreibe vom wahren Leben“, verkündet er. Von seinem Leben, um genau zu sein. Von Zeiten, in denen es täglich Hummer und Fahrten im schicken Cabriolet gab und von Zeiten, in denen das Gefährt ins Pfandhaus kam und billige Brötchen auf der Speisekarte standen.

Barski will für die Masse schreiben, doch er selbst liest kaum. „Mein Frau liest rund um die Uhr für mich“, sagt er stolz. Seine amerikanische Ehefrau ist Philologin für deutsche Sprache. „Ich“, gibt er unumwunden und mit lautem Lachen zu, „ich bin ein fauler Sack.“ „Aber“, der Zeigefinger der rechten Hand schnellt nach oben, „ich bin ein Mann vom Volk und bringe die Leute zum Lesen.“ Gern kokettiert Barski mit seiner Herkunft aus einer einfachen Arbeiterfamilie. Ihm gefallen Sätze wie „Ich bin ein armes Schwein ohne Schulbildung und habe es vom Habenichts zum Besitzer gebracht habe.“ Seine Lebensphilosophie beschreibt er ganz simpel. „Du wirst geboren, stolperst ins Leben, sorgst für Fortpflanzung, torkelst weiter und bist tot.“

Nach der Volksschule machte der gebürtige Bremer eine Lehre als Industrie- und Verlagskaufmann und ging später in die Werbung. Mit seiner ersten eigenen Firma flog er auf die Schnauze, berappelte sich wieder, wurde Werbechef bei Singer-Nähmaschinen, machte sich wieder selbstständig und verdiente seine erste Million. In den Siebzigerjahren fuhr er mit einem Mercedes 600 Pullmann, einer Luxuslimousine von amerikanischen Ausmaßen, durch die Mainmetropole, er genoss es, im „Café Schwille“ an der Freßgass den großen Zampano zu spielen und mit einem Ozelot an einer Eisenkette aufzufallen. Quasi nebenher machte er ein weiteres Vermögen mit Immobilien. Und plötzlich, mit 33 Jahren, kam er ins Straucheln.

Der Kreislauf und die Nerven spielten nicht mehr mit. Barski fühlte sich ausgebrannt und deprimiert. Er tat das, was die Hauptfigur Adi in seinem Buch „Exil Ibiza“ sagt: „Wenn du die Schnauze richtig voll hast und mit deinem Leben unzufrieden bist, dann musst du den totalen Bruch mit deinen Lebensumständen riskieren.“ Mit seiner Frau Bonnie ging er nach Ibiza und sechs Jahre später nach Florida. Dort bliebe er 16 Jahre. Er kaufte ein Hotel mit Privatstrand, das sich als „moneyschlucker“ erwies. Er gründete eine deutsch-amerikanische Hilfsorganisation, wurde vom dortigen Regierungschef in den erlauchten Kreis der „Floridas Finest“ aufgenommen, doch sein großer Traum, deutscher Konsul zu werden, erfüllte sich nicht. Diese Enttäuschung inspirierte ihn zumindest zu dem Buch „Der deutsche Konsul“.

Für 600.000 Euro hat sich Barski vor einem guten Jahr in Königstein eine Villa gekauft, in bester Nachbarschaft zu Topmanagern und reichen Industriellen. Das Haus ist auf zwei Etagen beziehungsweise zweihundert Quadratmetern mit alten Möbeln, erlesenem Chinaporzellan, Kunstbildbänden, alten Teppichen, Kelimkissen und barocken Gemälden ausgestattet. Auf dem Glastisch vor dem Fernseher liegt die Zeitschrift High Life, internationaler Lifestyle für Männer, die einen neuen Bentley oder Maßschneider brauchen.

„Nein, nein.“ Barski winkt ab. „Von Statussymbolen hab ich früher geträumt“, sagt er und schenkt einen Kräuterlikör aus Ibiza ein. Er hat mit Schönen und Reichen zu Tisch gesessen, er hat Weihnachtsfeste erlebt, wo die Diamanten der Frauen heller leuchteten als der Tannenbaum, er hat lange Zeit dieses Spielchen gespielt „Haste was, biste was“. Er sagt, dass er das nicht mehr braucht. „Ich bin ein alter Sack und will meine Ruhe haben.“ Abgesehen von seinen schrägen Promotiontouren führt Barski ein angenehmes Rentnerleben. Er freut sich an den Gemälden, die er bei Auktionen ersteigert hat und bei denen er manchmal die richtige Schreibweise der Maler nachschlagen muß ; an dem chinesischen Porzellan, das er aus einem Abrisshaus in Amerika hat; an seinem blauen Rolls. Früher war das Luxusgefährt die Erfüllung eines großen Traums, und jetzt ist es sein kostspieligstes Hobby. „Vierzig Liter auf hundert Kilometer und im letzten Jahr 8.000 Euro an Unterhalt und Reparaturen“, stöhnt er. Doch dann glänzten seine Augen. „Wenn’s mir schlecht geht, setz ich mich rein, schau den Mädchen auf der Straße nach und schon geht’s mir besser.“ Er lacht, dass der Schnaps in den Gläsern schwappt.

Barski schätzt, dass bisher etwa 25.000 Exemplare seiner vier Bücher verkauft wurden. Auch wenn er damit noch weit entfernt ist von seinem Wunsch, ganz oben in den Bestsellerlisten zu landen, ist er stolz auf die Verkaufszahlen. Denn er allein hat die Werbetrommel gerührt. Nicht die Verlage. Denen fehlte das Geld dafür. „Weil ich kein Promi bin, muss ich mich eben selbst vermarkten“, sagt er. Den Wert seiner Häuser in Frankfurt und Offenbach schätzt er auf fünf Millionen Euro. So kann er es sich leisten, hin und weider mit paar Scheinchen um sich zu werfen und den Rolls vollzutanken. So wie im vergangenen Sommer, als er mit zwei Schaufensterpuppen auf der Rückbank quer durchs Land gefahren ist. Barski macht das Spass. Er fällt gern auf. „Weil ich ein verrückter Hund bin.“

Einige Ibiza-Kräuterschnäpse später wird Barski ernsthafter. Statt schnoddriger Sprüche kommen ehrliche Sätze. „Ich bin mein ganzes Leben der Anerkennung nachgejagt“, sagt er. „Ich bin ein schriller Außenseiter. Ich spiele Millionär. Ich mache das bewusst. Ich bin ein Schaumschläger.“ Er nimmt einen Schluck aus seinem Glas und schaut kokett über den Brillenrand. „Das macht Spaß.“ Dann wird er wieder ernst und blickt voller Anerkennung zu seiner Frau. „Und meine liebe Frau macht das alles mit.“ Ein feines Lächeln zieht über ihr Gesicht.

Seit 37 Jahren sind die beiden verheiratet. Sie haben einen Sohn, der Arzt ist. Bonnie Barski ist eine kleine zierliche Person mit Brille, Pony und Pferdeschwanz. Sie ist im Gegensatz zu ihrem Mann leise, sie spricht gewählt, mit diesem typisch amerikanischen Akzent, und sie liebt den wahren Thomas Mann. Kürzlich hat auch sie ein Buch geschrieben. Doch darüber macht sie, im Unterschied zu ihrem Mann, kein Aufhebens. Seine Bücher findet sie „zeitgemäß“. Die Literaturwissenschaftlerin ist diplomatisch. „Er schreibt einfach Barski-Bücher.“

Für Barski gibt es nur Schwarz oder Weiß, heiß oder kalt, Entweder-oder, Auf-die-Schnauze-fliegen oder Gewinnen. Er will Erfolg haben. Aber diesmal nicht unbedingt einen finanziellen. Jetzt will Barski viel mehr. „Ich will endlich ernst genommen werden“, sagt er.

Das Manuskript seines neuesten Buches ist bereits fertig. „Lebenslänglich Negresco“ lautet der Titel. Negresco ist der Name eines Grandhotels in Nizza. Früher träumte Barski davon, eine der Fürstensuiten zu kaufen. Schließlich hat er sich mit einer Eigentumswohnung in Cannes begnügt, wo er mehrere Monate im Jahr mit seiner Frau lebt.

„Lebenslänglich Negresco“ handelt von Künstlern in den Zwanzigerjahren an der Côte d’Azur, von dem provenzalischen Dichter und Nobelpreisträger Frédéric Mistral, von 25-Liter-Weinflaschen mit Korken so groß wie eine Kinderfaust – und es handelt von einer Erkenntnis. „Der Einzelne ist niemand“, verkündet Barski. Man glaubt, sich verhört zu haben. Der Draufgänger, der anderen mit seiner großen Klappe ein wenig die Luft zum Atmen nimmt, ausgerechnet der spekuliert auf einmal mit philosophischen Erkenntnissen? Barski scheint es ernst zu meinen. „Jeder einzelne Mensch ist Teil der großen Maschinerie. Man kann zeitweilig aussteigen, muss aber wieder einsteigen. Nur so kann man große Dinge bewegen.“ Barski war eingestiegen und ist dann ausgestiegen. Jetzt steigt er wieder ein.

BARBARA BOLLWAHN, 39, ist Reporterin der taz und lebt in Berlin