MOTTEN! IN DER KÜCHE! : Der Schürzenjäger
Irgendwann hatte meine Nachbarin neue Mitbewohner: Lebensmittelmotten. Sie räumte alles aus den Küchenschränken, verschloss jede Rosine in einem Behälter und rückte ihnen mit Mottenpapier auf die Pelle. Immer wieder spielte ich mit ihrem Sohn Emilio auf dem Flur zwischen unseren Wohnungen das gleiche Spiel: Tauchte eine Motte auf, versuchte jeder, sie in die andere Wohnung zu scheuchen.
Seit einiger Zeit habe ich nun Motten in der Küche. Ich förderte eine Lasagnepackung aus dem Küchenschrank hervor, in der zwei Platten ein trauriges Dasein fristeten – begleitet von gefräßigen Larven. Brrr, ab in den Müll. So geschah es auch mit einer bewohnten Tüte Mandeln, aus der ich mich noch vor Kurzem bedient hatte, um einen Mandelkuchen zu backen. Doch auch nach der Inventur und dem Aufhängen von Mottenpapier bin ich die Viecher nicht losgeworden. An einem Abend waren die Nachbarin und ihr Sohn bei mir, und geübt im Mottenkampf erspähten sie sofort drei Exemplare. Eines an der Wand, eines an der Decke und eines im Rundflug über dem Herd. Zu dritt gingen wir auf Mottenjagd. Ihr Sohn, mit Abstand der Kleinste von uns, nahm die Motte an der Decke ins Visier. Beherzt griff er meine Lieblingsschürze – eine dunkelblaue mit Blumen am Taschenrand, herzallerliebst – und warf sie nach oben. Beim ersten Mal verfehlte sie ihr Ziel. Beim zweiten Mal warf er die Schürze so hoch, dass der kleine Jäger die Motte von ihrem Platz vertrieb.
Ich war beeindruckt. „Emilio!“, rief ich aus, „du bist ja ein Schürzenjäger!“ Er verstand den Witz nicht, aber dafür lachten seine Mutter und ich umso lauter. Zu dritt schauten wir zu, wie das angeschlagene Tier langsam Richtung Boden segelte. Mit einem Tritt erlöste ich es von seinem Leiden. BARBARA BOLLWAHN