: Der Sandsturm war unser Glück
Schon vier Jahre, seit 2003, gibt es in Darfur bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den hier ansässigen Stämmen und der sudanesischen Regierung. Dabei fordern die Rebellen mehr Mitbestimmung im Staat und eine bessere Entwicklung ihrer Region. Um gegen den Aufstand vorzugehen, setzt die Regierung in Khartum arabische Reiternomaden ein. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung, die Zerstörung von Dörfern, Massaker und Vergewaltigungen vorgeworfen.
400.000 Menschen sind bis heute durch den Konflikt umgekommen, 2,5 Millionen wurden vertrieben. Der Konflikt hat sich auch auf grenznahe Gebiete des Tschad und der Zentralafrikanischen Republik ausgeweitet. Bis Ende 2007 soll die Friedensmission Unamid als weltgrößte UN-Truppe in Darfur stationiert werden, um für eine Beruhigung der Lage zu sorgen.
Im ersten Teil der taz-Serie, die am 29. 10. erschien, begleiteten Righton und Koene den 12-jährigen Lobsang Lungtok, der von Tibet nach Nepal geflohen war.
VON NATALIE RIGHTON (TEXT) UND TON KOENE (FOTOS)
Ich heiße Zanussi Nimir und bin zwölf Jahre alt. Als kleiner Junge wuchs ich in der Wüste von Darfur auf. Zusammen mit meinem besten Freund Idris sorgte ich für hundert Ziegen, wir hatten ein freies Leben, denn wir mussten nicht zur Schule. Dahin geht man in unserem Land erst, wenn man acht oder neun Jahre alt ist.
Eines Tages war plötzlich Krieg. Soldaten griffen unser Dorf an, sie schossen in die Luft und zündeten Häuser an. Es war ein Chaos. Alle rannten herum wie kopflose Hühner. „Rennt!“, schrie meine Mutter. Und das taten wir.
Als es dunkel wurde, ruhten wir uns aus. Ich war so müde und musste heulen vor Traurigkeit, aber meine Mutter tröstete mich: Sie habe sich mit meinem Vater im Tschad verabredet. Drei Tage liefen wir durch die Wüste. Es war schwer, in meinem ganzen Leben war ich nie wieder so hungrig und durstig. Der Weg war gefährlich. Die sudanesischen Soldaten, die unser Dorf angegriffen hatten, patrouillierten überall. Wenn sie in ihren großen Pick-ups vorbei fuhren, versteckten wir uns. Wir hatten Glück, dass ein sehr starker Wind blies, der sorgt nämlich für Sandstürme und dann wird man unsichtbar.
Als wir endlich im Tschad ankamen, sah ich ganz viele Menschen aus meinem Dorf wieder. Sogar Idris war da. Wir fanden auch meinen Vater, meine Brüder und Schwestern. Ich war so glücklich! Aber es gab auch schlechte Nachrichten. Einige waren bei dem Angriff umgekommen, auch unser Haus mit all unseren Sachen war abgebrannt.
Nach ein paar Tagen kam ein weißer Herr in einem weißen Auto und sagte, dass er die Vereinten Nationen sei und uns helfen wolle. Ich hatte den Namen noch nie gehört, aber offenbar war er sehr wichtig, weil wir nun schon vier Jahre gratis in seinem Flüchtlingslager wohnen.
Hier habe ich fast nie Hunger, denn in jeder ersten Woche des Monats bekommen wir Essen zugeteilt. Wir zehn Leute kriegen dann 125 Kilo Mais, 50 Kilo Bohnen, einen Kanister Öl, Zucker und Salz. Fleisch nie. Wasser holt meine Mama jeden Tag an der Pumpe, oft helfe ich ihr beim Schleppen. Manchmal habe ich Glück, weil meine Mutter schon das Wasser geholt hat, wenn ich aus der Schule komme. Dann helfe ich meinem Vater auf dem Markt. Er verkauft da Zucker, Salz und Gemüse. Mir macht es Spaß, die Sachen abzuwiegen.
Um sechs Uhr abends muss ich zu Hause sein, dann wird es dunkel, und Straßenbeleuchtung gibt es ja nicht im Lager. Deshalb hört ein normaler Tag früh auf in Afrika: Um acht Uhr abends liegen wir hier alle im Bett.