piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Rückkehrer

Salmai Qari zieht die Wissenschaft der Wirtschaft vor

Der junge Mann sitzt da wie in einer Zelle. Das Zimmer vielleicht 2,5 Meter breit und 4 lang. Ein karges Metallregal, ein unschöner Besprechungstisch. Allerlei zusammenheftete Papiere. Bücher, nicht viele. Passenderweise regnet es draußen. Das ist das Studierzimmer des Salmai Qari, einem Ökonomen, der noch bis vor Kurzem in einem der glitzernden Bankentürme in Frankfurt am Main gearbeitet hat. Bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der Superstaatsbank des Bundes, hat er berechnet, wie man Risiken bei der Kreditvergabe von Sparkassen transparent machen kann. Kein unwichtiger Job. Er dürfte das Drei- bis Fünffache verdient haben, das er heute kriegt. Dennoch ging der 26-Jährige ans WZB, um sich mit „Marktprozessen und Steuerung“ zu befassen.

Qari, in Düsseldorf als Kind afghanischer Einwanderer geboren, hat in Berlin Volkswirtschaft und Communication Systems Engineering studiert. Warum tauscht jemand den gut bezahlten Bankerjob mit der Forscherkartause? „Ich wollte nicht mehr Bank machen. Es ist einfach was anderes, wenn man sich in der Wissenschaft mit verschiedenen Themen befassen kann, und das viel gründlicher.“ Aber man muss nicht glauben, dass der heute 29-Jährige ein Eremit ist. „Ich wollte ans WZB“, sagt er, „ich wäre nicht an irgendeine Uni im Niemandsland gegangen.“ Und wie passend klopft es an der Tür, und eine Schar junger englisch, französisch und holländisch sprechender Forscherkollegen befreit ihn zum Mittagessen aus seiner Zelle.

Ökonomie, Risikocontroller, Communication Engineering – das klingt abstrakter, als die Themen Qaris wirklich sind. Im letzten Montagsworkshop, wenn sich die Ökonomen seiner Abteilung zum Thesen-Sparring treffen, hat Qari eine Arbeit präsentiert, mit der er herausfinden will, ob Leute langfristig glücklicher sind, wenn sie in Paaren leben, als wenn sie allein sind. Nachfragen beantwortet Qari zögernd – weil sein Aufsatz gerade im Begutachtungsprozess ist. Zudem hat er untersucht, ob Patriotismus beim Steuerzahlen eine Rolle spielt. Ja, sie spielt. Individuen sind steuerehrlicher, wenn sie ein wohlig warmes patriotisches Gefühl haben.

Qari arbeitet mit dem Rechner und einer Methode, die „rational choice“ heißt. Ökonomen unterstellen dem Marktteilnehmer rationales Verhalten. Einwände etwa derart, dass die Partner innerhalb eines Paares weder Marktteilnehmer noch rational sind, belustigen und langweilen den Forscher zugleich. Die Methode rational choice, sagt er, „heißt ja nicht, dass man in seinen Berechnungen nicht auch die Gefühle der Menschen berücksichtigen kann.“ Oder, um es zu verraten: Paarteilnehmer sind glücklicher als Singles – wohl, weil die Paarbeziehung für sie auch nützlich ist und also: rational. CHRISTIAN FÜLLER