Der Rechts-Beistand für rechte Fälle

■ Jürgen Rieger, der Star-Anwalt der Neonazi-Szene, verteidigt mal wieder Von Guido Börnsen

Es wird wieder einer dieser sattsam bekannten Auftritte werden. Wenn heute vor dem Hamburger Landgericht die Berufungsverhandlung gegen das „Auschwitz-Mythos-Urteil“ beginnt, darf er nicht fehlen: Jürgen Rieger, der Star-Anwalt der rechtsradikalen Szene, wird den Angeklagten André Goertz wortreich verteidigen.

Dieser und sein Mitangeklagter Jens Siefert waren im Februar dieses Jahres vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden, nachdem sie auf einem Informationsband des „Nationalen Info-Telephons“ in bezug auf den Spielfilm Schindlers Liste vom „Auschwitz-Mythos“ gesprochen hatten.

Die damalige Entscheidung des Amtsrichters Albrecht Kolb, mit dieser Formulierung hätten die beiden aktenkundigen Neonazis die Ermordung von Juden in der Hitler-Diktatur nicht geleugnet, hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt (taz berichtete).

Rechts-Beistand Rieger wird auch heute – wie immer, wenn er für Rechtsradikale tätig ist – versuchen, den Gerichtssaal als Bühne zu nutzen, um sein Gedankengut zu verbreiten. Denn aus seiner Gesinnung macht Rieger keinen Hehl. Das hat er noch nie getan. Bereits 1969 veröffentlichte Rieger im Eigenverlag die Schrift „Rasse – auch ein Problem für uns“, die später aufgrund ihrer ausländerfeindlichen Hetze als jugendgefährdend indiziert wurde.

Auch als Rechtsanwalt mit Praxis in Blankenese wich Rieger nicht von der eingeschlagenen Linie ab. So behauptete er 1981 im Prozeß gegen den SS-Sturmbandführer Arpad Wiegand, daß kein Jude im Warschauer Ghetto verhungert wäre, wenn diese untereinander mehr Solidarität geübt hätten. Für diese Aussage wurde Rieger zweimal zu hohen Geldstrafen verurteilt, doch 1987 sprach ihn der Bundesgerichtshof frei.

Vor vier Jahren beim Bundestreffen der inzwischen verbotenen „Nationalistischen Front“ forderte er dazu auf, „den Ausländern den Aufenthalt so unbequem wie möglich zu machen“. Es überrascht daher nicht, daß der Vorsitzende der rassistischen „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung“ mit den Jahren zum Star-Anwalt der rechtsradikalen Szene wurde. Braune Größen wie der verstorbene Michael Kühnen, Christian Worch oder Bela Ewald Althans zählten zu seiner Klientel.

Doch auch als Angeklagter mußte sich Rieger schon vor Gericht verantworten. Wegen Körperverletzung auf einer Demonstration der „Aktion Widerstand“ im Oktober 1970 wurde er rechtskräftig verurteilt. Das Amtsgericht Blankenese sprach den End-Vierziger im September 1994 schuldig, in tarnfarbenem Kampfanzug in einem restaurierten Kübelwagen mit SS-Runen in der Nähe von Barsbüttel umhergefahren zu sein. Gegen das Urteil von 7200 Mark Geldstrafe – die Staatsanwaltschaft hatte 24.000 Mark gefordert – läuft derzeit noch die Berufung vor dem Hamburger Landgericht.

Trotz dieser Verfahren hat Rieger bislang seine Zulassung als Rechtsanwalt nicht verloren. „Solange ein Anwalt nicht gegen die Berufsvorschriften verstößt, können wir gar nichts machen“, erklärt Ove Simonsen, Geschäftsführer der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer. Ein Entzug der Konzession aus politischen Gründen ist nicht möglich. Ob gegen Rieger schon standesrechtlich vorgegangen wurde, mochte Simonsen nicht sagen: „Wir sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.“

Auch im Hamburgischen Anwaltverein, dem freiwilligen Zusamenschluß der Advokaten, darf Rieger trotz seiner rechtsradikalen Positionen weiterhin Mitglied bleiben. „Erst bei einer rechtskräftigen Verurteilung können wir im Vorstand über einen Ausschluß beraten“, sagt der zweite Vorsitzende, Hellmut Sempell. Dann jedoch werde man prüfen, ob ein Verstoß gegen die Satzung vorliege.

Doch bis es soweit ist, kann es noch lange dauern. Der Rechts-Anwalt Jürgen Rieger wird vorerst auch weiterhin sein Unwesen treiben können.