: Der Raum ist los
■ Neuer Tanz gastiert mit dem Stück xyz – Bewegtes Opfer drei Tage auf Kampnagel
„Ein Tanzstück kann für sich selber sein – wie ein Objekt oder eine Skulptur.“ VA Wölfl kommt von der Bildenden Kunst. Der Maler, Fotograf und Video-Künstler hat vor zehn Jahren mit der Choreographin und Tänzerin Wanda Golenka die Gruppe Neuer Tanz gegründet. Kompromißlos experimentieren die beiden mit Bewegung, Licht, Musik und Raumkonzepten, erkunden neue Dimensionen im Zusammenspiel der Kunstsparten. Ihr Stück xyz – Bewegtes Opfer – ein Auftragswerk, verbunden mit der Auszeichnung des 1. deutschen Produzentenpreises – ist jetzt beim hiesigen Auslober – Kampnagel – zu sehen.
Mit New Dance hat Neuer Tanz nichts gemein. „Spricht man darüber, ist eigentlich auch immer von uns die Rede“, scherzt VA Wölfl. Der Name als origineller Promotion-Trick? „Er ist eher provokativ gemeint, bezeichnet aber genau das, was wir entwickeln. Mit jedem Stück schaffen wir einen neuen Tanz. In gewissem Sinn ist der immer auch eine Antwort auf die vorhergehende Arbeit.“
Das Ballett No 5 zeigte die Tänzer schwer rackernd und schwitzend beim Tanz-Exerzieren, in RCA/going to work wirkten sie elegant, gestylt und schön. In Elepsie spielt das geometrische Oval eine Rolle. In xyz... ist es ein quadratischer Rahmen. Basisprinzip der abstrakten, zuweilen spröden, auch mal fast im Finstern sich ereignenden Choreographien ist „die Gleichberechtigung der einzelnen Elemente Bewegung, Licht, Raum und Ton. Keines ist Vehikel für das andere.“
Der Raum ist los. „Zuerst räumen wir ihn leer. Gewöhnlich wird die Bühne mit Kulissen und Requisiten vollgestellt. Wir machen das Gegenteil, führen ihn darauf zurück, wie er ist“, sagt VA Wölfl. Dadurch verändert sich das Stück von Ort zu Ort. „Es ist wie mit einer Bewegung, die sich scheinbar durch verschiedene Musik verändert. Ein anschwellend lauter Ton läßt bedrohlich erscheinen, was zu leiser Kaufhausmusik lieb wirkt. Die Bewegung bleibt aber dieselbe.“ VA Wölfl läßt dem Zuschauer Freiraum für das Spiel mit freien Assoziationen. „Er soll die Nichtvollendung vollenden. Das Publikum ist der Reaktor.“ Seine Sehgewohnheiten werden auf die Probe gestellt. „Mit Theater täuscht man gut. Wir haben in Elepsie beim Schlußapplaus die Tänzer durch Doubles ersetzt. Die Leute haben es überhaupt nicht bemerkt.“
Was ist Realität? Was ist Wahrheit? Was ist (gut) gelogen? Das sind die Fragen, die VA Wölfl bewegen. In der Kunst etwas erzählt zu bekommen, was er schon weiß, interessiert ihn nicht: „Ich konnte auch nie vertragen, auf der Bühne etwas beigebracht zu bekommen. “
Thomas Rössl Do bis Sa, 26.-28. September, 20 Uhr, Kampnagel, k2
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