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■ Der Prozeß Abu-Jamal und die politische Justiz in den USAEin „Spiel“ auf Leben und Tod

„Wir sind hier nicht im Simpson-Prozeß“, konterte der Vorsitzende Richter Sabo die Rügen der Verteidiger Abu-Jamals. Im Unterschied zu Simpson konnte Abu-Jamal in einem 14tägigen Verfahren zum Tode verurteilt werden. Vor sieben Wochen wurde der Hinrichtungstermin für den 17.8. 1995 angesetzt. Die Entscheidung, ob diese Exekution durchgeführt oder das Verfahren neu aufgerollt wird, wird einen Test für das US-amerikanische Rechtssystems darstellen.

Die Hinrichtung Abu-Jamals wäre für die Law- and-order-Fraktion eine willkommene Gelegenheit, den politisch aktiven Afroamerikanern zu zeigen, daß sie mit ihrem Leben spielen, sollten sie zu laut werden. Es gilt, sich vor Augen zu führen, daß die drohende Hinrichtung Abu-Jamals die Exekution eines Journalisten bedeutete, der stets und immer die rassistischen Strukturen der US-Gesellschaft und insbesondere die willkürlichen polizeilichen Übergriffe auf Schwarze anprangerte. Gerade wegen dieser politischen Implikationen ist es nicht begreifbar, warum hier nicht alles daran gesetzt wird, die Hintergründe des Falles aufzuklären. An keinem der bisherigen Anhörungstage war von einem solchen Bemühen etwas zu spüren. Mit blankem Unverständnis reagierten Richter und Staatsanwaltschaft auf die Anträge der (ersten richtigen) Verteidigung. Im Einklang mit der Polizeigewerkschaft FOP, die für Abu-Jamals schnelle Hinrichtung kämpft, behandelten sie Abu-Jamal und seine Verteidiger wie unverschämte Bittsteller. Die Entscheidungen des Gerichts, die Aussetzungsanträge nicht zu entscheiden und jetzt quasi unter dem Fallbeil über den eigentlich wichtigen und bedeutenden Punkt der Wiederaufnahme des Verfahrens zu befinden, zeigt, daß es den Gerichten auch 13 Jahre nach den tödlichen Schüssen um eine politische Entscheidung geht und nicht um Wahrheitsfindung. Die Hoffnung richtet sich jetzt auf die Bundesgerichte und darauf, daß diese – weil nicht in Pennsylvania gewählt – sich mehr der Wahrheitsfindung verpflichtet fühlen und die Bedeutung des Verfahrens und dessen offensichtliche bisherige Mängel sehen. Auf dieser Ebene wird dann wohl auch die internationale Solidarität für eine Wiederaufnahme des Verfahrens registriert werden. Gerade wegen des politischen Hintergrundes und dem Bezug zur Meinungs- und Pressefreiheit muß an dieses Verfahren international – auch von staatlichen Stellen und ohne die sonst übliche Zurückhaltung – die Anforderung gestellt werden, den Fall unter Einhaltung eines Mindestmaßes an rechtsstaatlichen und strafprozessualen Standards neu aufzurollen. Volker Ratzmann

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