: Der Planer der Pleite
Gerhard Schürer hat sie alle getäuscht: den damaligen BRD-Kanzler Helmut Kohl, den DDR-Staatschef Erich Honecker und die Weltbank. Seit 1965 hatte Schürer das Staatliche Planungsbüro der DDR geleitet, und dort frisierte er die ostdeutschen Wirtschaftsstatistiken so geschickt, dass die DDR als prosperierend galt. Auf der Weltbank-Liste der reichsten Industrieländer rangierte sie noch 1988 unter den ersten 15 Staaten.
Dabei war die DDR tatsächlich pleite, wie Schürer bestens wusste. Doch die volle Wahrheit offenbarte er erst, als der neue Staatschef Egon Krenz „ein ungeschminktes Bild der ökonomischen Lage der DDR“ verlangte. Am 27. Oktober 1989 reichte Schürer daher eine „Geheime Verschlusssache“ ein, die zu dem schonungslosen Ergebnis kam, dass die DDR zahlungsunfähig war. Die Auslandsschulden im Westen beliefen sich auf 49 Milliarden Valutamark. Schürers Fazit: Der Internationale Währungsfonds würde die DDR schon 1990 übernehmen – falls die Ostdeutschen ihren Konsum nicht sofort um 25 bis 30 Prozent senken würden. Auch Schürer wusste, dass dieser Verzicht undenkbar war.
Wer Schürers „Geheime Verschlusssache“ liest, wundert sich nicht mehr, dass die DDR-Führung so wenig Gegenwehr mobilisierte, als ihr Volk aufmüpfig wurde. Ökonomisch war Ostdeutschland sowieso verloren.
Nach der Wende saß Schürer drei Wochen in Untersuchungshaft. „Die schlimmste Zeit in meinem Leben.“ Da seine Rente „politisch begrenzt“ war, nahm er jeden Job an. Er wusch Gardinen für eine Firma, pflegte eine bettlägerige Frau und verfasste seine Autobiografie „Gewagt und verloren“.
Doch bald zahlten sich seine Kontakte in den einst sozialistischen Osten wieder monetär aus. Lufthansa, zum Beispiel, besorgte er die Landeerlaubnis in Vietnam. Lange Jahre arbeitete er auch als Berater von Europas größtem Dienstleister Peter Dussmann. Besuchern zeigte er gern die Andenken, die er aus seinen Amtsjahren als DDR-Planungschef behalten hatte. Dazu zählte ein in Öl gemalter Hahn, der ihm von Fidel Castro überreicht worden war. Kurz vor Weihnachten ist Schürer 89-jährig in Berlin verstorben. UH