piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Oasenmann und Wir

BUCHVORSTELLUNG Pünktlich zur Gesetzesnovelle erinnert Reinhard Bockhofer an die älteste Petition

Von BES
Reinhard Bockhofer,65

■ Historiker, war bis 2009 Fachleiter am Landesinstitut für Schule und ist Sprecher der Bremer Vereinigung zur Förderung des Petitionsrechts in der Demokratie.

taz: Dass Bremen sich morgen ein neues Petitionsrecht gibt…

Reinhard Bockhofer: … ist mir klar, aber das war nicht der Anlass des Buchs. Das ist zum 60-jährigen Bestehen des Bundestags-Petitionsausschusses geschrieben – um zu gratulieren, und dessen oft wenig beachtete Arbeit zu popularisieren.

Dafür erzählen Sie eine Geschichte aus dem alten Ägypten?!

Ich verfolge die Arbeit des Petitionsausschusses jetzt seit sicher zwei Jahrzehnten, und das Ziel war, eine Ausstellung zu machen. Bei der Suche nach Beispielen kamen wir natürlich auf die Frage: Welches ist der älteste Vorgang dieser Art? Und das ist die Geschichte vom Oasenmann Chûnanûp.

Die erinnert etwas an Kleists Michael Kohlhaas.

Die Ähnlichkeiten sind sogar frappierend, wenn man sieht, dass sie zweieinhalb Jahrtausende älter ist: In beiden Fällen ist ein Händler unterwegs, dem, unter fadenscheinigem Vorwand, seine Tiere – bei Kohlhaas die Rappen, beim Oasenmann die Esel – abgenommen werden, woraufhin beide eine ewige Reihe von Beschwerden führen, die sie bis zum Äußersten treiben müssen: Chûnanûp, indem er mit Selbstmord droht, und Kohlhaas…

indem er brandschatzt?

Er greift zu naturrechtlich gut begründeter Gewalt – aber eben erst, als er einsehen muss, dass die gesamte Adelsherrschaft verkrustet und mafiös verstrickt ist. Wichtig scheint mir, dass beide Geschichten so einen direkten Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und sozialem Frieden bestimmen. Wobei erstaunlicherweise der antike, gewaltärmere Oasenmann uns näher ist und unserer abstrakten Petition näher kommt, obwohl die Geschichte so viel älter ist.

Er muss ertragen, ausgepeitscht zu werden!

Natürlich ist unser Verfahren viel differenzierter.

Entspräche das der hohen Frustrationstoleranz, die Petenten auch heute noch mitbringen müssen?

Die Petition hat es nach wie vor zweifellos schwer. Aber wenn man weiß, was sich in den letzten zehn Jahren geändert hat, um wie viel klarer und zugänglicher das Verfahren geworden ist, besteht jetzt eher Anlass, das zu loben – und auf diese Möglichkeit direkter Einmischung hinzuweisen. BES

Reinhard Bockhofer: Überfall auf Chûnanûp – Unrecht im alten Ägypten, Donat-Verlag, 46 Seiten, 12,80 € Buchvorstellung: Leuwer, 19 Uhr