■ Der OSZE-Gipfel in Lissabon war eine Pflichtübung: Die Nato im Osten konzeptionslos
Vom Aufbruch der „Charta für ein neues Europa“ in Paris 1990 zum Gipfel der lustlosen Routine in Lissabon: Eines der vielen Indizien für den Bedeutungsverlust der nach wie vor einzigen gesamteuropäischen Institution war die gelangweilte, inhaltsleere Rede von Bundeskanzler Kohl. Vor sechs Jahren pries der Kanzler die K/OSZE noch als „Herzstück der europäischen Architektur“. Diesmal machten Kohl und seine Entourage keinen Hehl daraus, daß sie nur noch eine lästige Pflichtübung absolvierten. Ebenso wie die US-Amerikaner, die ohnehin weitgehend durch Abwesenheit glänzten.
Doch gescheitert ist der Gipfel nicht nur gemessen an den Erwartungen derjenigen, die eine gesamteuropäische Institution mit voller Einbeziehung Rußlands für das beste Instrument halten, um Frieden und Sicherheit auf dem eurasischen Kontinent dauerhaft zu gewährleisten. Auch das Kalkül derer, die die Nato- Osterweiterung betreiben, ging in Lissabon nicht auf. Im Vorfeld wurde in westeuropäischen Hauptstädten die Erwartung geschürt, Rußlands Bedenken gegen die Osterweiterung würden in Lissabon durch konkrete Kooperationsangebote an Moskau überwunden. Doch diese Angebote blieben aus. Ihre vorsichtigen, bei weitem nicht ausreichenden Ansätze hierzu ließen sich die EU-Staaten noch vor dem Gipfel von den USA durchkreuzen. In dieser Situation konnten die eindeutigen Worte von Rußlands Premier Tschernomyrdin gegen die Nato-Osterweiterung niemanden überraschen. Es gibt keinen Grund zu der Erwartung, daß sich Moskaus Haltung in nächster Zeit ändert. Weder die in Lissabon vereinbarten Verhandlungen zur „Modernisierung“ des Abkommens über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) noch die jetzt in der Nato erwogene Absichtserklärung, bei einer Osterweiterung vorläufig keine Atomwaffen in den neuen Mitgliedsstaaten zu stationieren, dürfte eine Veränderung der russischen Position bewirken.
Bewegung in die ritualisierten Abläufe und erstarrten Fronten der Diskussion käme nur, wenn einer der westlichen Regierungschefs den Mut hätte, offen auszusprechen, was hinter vorgehaltener Hand längst eingeräumt wird: Für die Osterweiterung gibt es weder ein Konzept noch objektive Kriterien, warum einige Bewerber bis zum Jahr 2000 Mitglied werden können, andere aber erst später oder gar nicht. Die materiellen Folgekosten für neue Mitglieder werden zur enormen Belastung ihrer Volkswirtschaft. Und der politische Schaden wird letzten Endes für alle Beteiligten größer sein als der Nutzen. Andreas Zumach
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