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Archiv-Artikel

„Der Moderator singt am liebsten selbst“

Guiness-Buch-Rekordler, strenge Chefinnen, 80er-Atmo und Gäste, die immer dasselbe singen: Ein Connaisseur erklärt die Bremer Karaoke-Szene

Von eib

Bremen taz ■ Zwei Karaoke-Bars gibt es in Bremen, die den Namen auch verdient haben, sagt Philipp. Er muss es wissen, denn er geht regelmäßig singen. Damit das nicht alle wissen, verschweigt er seinen Nachnamen lieber. Alle zwei bis drei Monate – „dann aber ausgiebig“ – braucht er den speziellen Kick, den er sich gemeinsam mit Kollegen im Little Ritz in Schwachhausen holt. „Wir haben es auch mal in der anderen Bar in Walle probiert – aber das war einmal und nie wieder.“ Zu prollig war es dem Hemd tragenden Ökonomen in Gerry‘s Karaoke Club. „Und der Moderator singt am liebsten selbst.“ Kein Wunder, denn KDJ Hansis größter Ehrgeiz ist der Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde für ununterbrochenes Karaoke-Singen. Seit Jahren stellt er alleine oder mit Gästen Rekorde auf, zuletzt hat er es im März probiert. 1.800 Lieder in 100 Stunden ohne Pause, gemeinsam mit rund 20 Gästen. Doch ob er es dieses Mal geschafft hat, weiß KDJ Hansi noch nicht, die Guiness-Macher prüfen noch.

Den Karaoke-Connaisseur können solche Mätzchen nicht locken, für Philipp zählt allein die Atmosphäre. „Man taucht ein in die 80er-Jahre.“ Für das Original-Eighties-Feeling ist im Little Ritz die Chefin des Schwachhauser Etablissements verantwortlich: Babsi. „Die ist ein bisschen streng“, sagt Philipp, aber das sei vielleicht auch ganz gut so. Schließlich gerieten „besoffene Horden“ auch mal außer Rand und Band – „man ist betrunken und grölt“ – und dafür hat Babsi kein Verständnis. Hinter der Bar hat Philipp eine Baseballkeule entdeckt, zum Einsatz gekommen sei die aber noch nicht, jedenfalls nicht, solange er dort war.

Ohne seine Bezugsgruppe und einen gewissen Pegel traut sich Philipp nicht in den Laden, denn die Angst vor der Blamage ist groß. Zumal Babsi gerne mal die eine oder andere Darbietung kommentiert. „Es gibt Leute, die singen seit Jahren dasselbe Lied und sind entsprechend gut.“ Da fällt die eigene Leistung dann schon mal ab. Obwohl: Auch Philipp hat sein Standard-Repertoir. Fiesta Mexikana, Westerland und Griechischer Wein müssen sein, bevor diese Klassiker nicht nachgesungen wurden, geht niemand nach Hause. Dafür ist das Gefühl zu schön: „Für drei Minuten ist man ein Star.“

Und für Stars hat Babsi eine Menge übrig: Im Little Ritz hängt ein überdimensionales Foto von der Chefin mit dem Delmenhorster Popstar Sarah Connor. „Das muss ihre künstlerische Kinderstube gewesen sein“, glaubt Philipp. eib

Gerry‘s Karaoke Club: Elisabethstraße 16, täglich ab 19 Uhr. Little Ritz: Schwachhauser Heerstraße 95, ab 20 Uhr, Donnerstags geschlossen.