: Der Modemittler
Andreas Murkudis sammelt und verkauft alltagstaugliche Kleider über die Saison hinaus. Mit seinem Laden hat er einen Ort für junge Designer geschaffen, wo sie wertig und achtsam präsentiert werden
VON KATRIN KRUSE
Er führe einen „Trendladen“, heißt es über ihn. In der Münzstraße, im Hinterhof; ohne Schild, ohne Namen. Ein Ort für Kenner, so scheint es, für Eingeweihte und manchmal für ein paar versprengte Touristen. Wie Andreas Murkudis da in seinem Laden sitzt, in Jeans und Shirt neben den Entwürfen der Modeavantgarde, wie er davon zu erzählen beginnt, was ihn fasziniert an der Mode und wie er zu ihr kam, da scheint allerdings zunächst einmal nichts ferner, als ihn für einen Agenten des Trends zu halten. Und auch er selbst beschreibt sich ganz unglamourös. „Ich bin Einzelhändler“, sagt er.
Vor fast zwei Jahren hat Murkudis den ersten Laden eröffnet, inzwischen sind es zwei: im ersten Hof der für Frauen, im zweiten der Männerladen. Kleidermode, im großen Raum an schlichte Stangen gehängt, vieles von deutschen Modemachern, die im Ausland bekannter sind als hier; Accessoires und Gebrauchsdesign. Da sind die vergangen anmutenden Entwürfe von Frank Leder, schon durch die Verwendung von Vintage-Knöpfen limitiert. Daneben das Label „Pulver“, hinter dem vier junge Modemacherinnen stehen, die zart bedruckte Blusengespinste schaffen, ganz eigene Silhouetten und manchmal fast knifflige Details. Oder die Modelle von „Haltbar Murkudis“, aus festen Stoffen nach den Schnittmustern von Zimmermannskleidung gefertigt – ein Label seines Bruders, des Modedesigners Kostas Murkudis.
Dauerhaft, beständig über die Saison hinaus sind die Entwürfe alle: „Ich verkaufe gerne Dinge, die tragbar sind, alltagstauglich. Mehr muss für mich Mode nicht haben.“ Was Murkudis’ Laden charakterisiert, ist Mode, die fast „unmodisch“ wirkt, oder „nicht modisch“. Schöne Verarbeitung, Schlichtheit und besondere Details: Seine Kunden, so sagt Murkudis, sollen mit seiner Mode „einen Alltag bestreiten“. So mag es klingen, wenn man Mode ins Leben überführt. Karg ist das nicht. Vielmehr spannend, weil die Mode plötzlich eine Geschichte bekommt und eine Funktion.
Andreas Murkudis spürt also Dinge auf, die bleiben. Als Geschäftsführer des Werkbundarchivs, später Museum der Dinge im Martin-Gropius-Bau, hat er fünfzehn Jahre lang Gegenstände des Alltags und Industriedesign gesammelt, und eigentlich tut er das noch heute. Er versammelt seine Favoriten – nur, dass er sie jetzt auch verkauft. Dort werden sie – großzügige Hängung, reduzierte Gestaltung des Raums – fast galerieähnlich präsentiert. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf die Dinge – als Objekte präsentieren will Murkudis sie jedoch keinesfalls: Mode sei keine Kunst. Kunst sammelt er privat. Mode verkauft er. In Deutschland wird Mode oft als „ etwas Oberflächliches“ betrachtet, sagt Andreas Murkudis. Und wird sie dann doch einmal ernst genommen, dann oft erst, wenn sie auf den Sockel der Kunst gehoben wird. Andreas Murkudis nimmt die Mode für Mode. Er nimmt sie nicht wichtig, und nur auf eine leichte Art ernst.
Das, was er „diese Lust an der Mode“ nennt, hat früh begonnen. 1973 endete der Ausreiseversuch der Familie Murkudis, von Dresden zurück nach Griechenland, im Auffanglager des Roten Kreuzes in Westberlin. Er und sein Bruder mussten damals – in den Siebzigerjahren, als die DDR in Westdeutschland kein Thema war – wie „gelandete Ufos aus dem Osten“ erschienen sein, sagt Andreas Murkudis. Sonderbar gekleidet und sächselnd – „immer ein Lacherfolg“. In den Achtzigerjahren dann fing er an, Armani zu tragen – und auch zu sammeln, der „tollen Kollektionen“ wegen. Er überredete den Bruder Kostas, der heute zu den bekanntesten deutschen Modemachern zählt – „weil er zeichnen konnte und Ideen hatte – das hatte ich nicht“ – Modedesign zu studieren. Fuhr mit auf die Schauen nach Paris, studierte Kunstgeschichte. Es folgte die Museumsarbeit. Und dann hat er den Laden aufgemacht.
Dass sich jemand bei einer solchen Biografie für Mode zu interessieren beginnt, das ist zu verstehen. Man könnte sogar annehmen, dass Andreas Murkudis deshalb an Marken Gefallen findet und am Distinktionsgewinn; dass er Dinge sagt wie: Ihn fasziniere der Glanz der Mode, oder: Er wolle die Menschen ein kleines Stück schöner machen. Doch nähert sich Andreas Murkudis der Mode auf andere Art. Ihn kann ein guter Entwurf begeistern, seine Faszination gilt dem, was hinter einer Kollektion steht; der Entwicklung, die ein Designer nimmt, und der Verarbeitung, die ein Teil kostbar macht.
Das Kostbare muss man sehen lernen. Andreas Murkudis ist ein Vermittler der Mode. Die Kollektionen des belgischen Designers Martin Margiela etwa, der als erster Dekonstruktivist in der Mode gilt, haben ein weißes, mit Handstichen eingenähtes Label. „Das machen Sie doch selber“, unterstellen ihm oft Touristen, die sich manchmal in den zweiten Hof verlaufen, weil sie glauben, von dort aus ginge es direkt weiter zum Hackeschen Markt. Noch immer, meint Murkudis, gebe es das Bild der bastelnden Werkelberliner: ein wenig töpfern, ein wenig nähen, und dann in den Hinterhöfen ausstellen. Dabei tut sich derzeit nicht nur in der Mode in Belgien sehr viel, sondern auch in Berlin, der Laden von Andreas Murkudis ist ein Teil davon. Hier hat er einen Ort für junge Designer geschaffen, wo ihre Mode angemessen präsentiert wird: wertig, achtsam und in guter Gesellschaft. So hängen junge Labels wie die besagten Pulver oder Frank Leder, die beide von Berlin aus arbeiten, neben der Yamamoto-Linie von Adidas oder neben Lutz Hueller, der als einer der wenigen deutschen Modemacher auf den Pariser Schauen zeigt.
Der Modemarkt, das sind zur Zeit Prada und Gucci einerseits und Zara und H&M andererseits: Markennamen versus Wear&Go. Die „Zukunft des Einzelhandels“, meint Murkudis, liege hingegen darin, das Besondere zu suchen, Kollektionen anzubieten, die nicht so verfügbar sind – und in denen eine persönliche Handschrift spürbar ist. Vielleicht liegt darin auch die Zukunft der Mode: im Ende des Modischen. Bei Andreas Murkudis jedenfalls ist es schon so weit.