: „Der Mensch und die Ratte überleben“
Gesunden Menschen schadet die Hitze nicht. Der Körper passt sich an, sagt Herzspezialist Dietrich Andresen
DIETRICH ANDRESEN, 58, ist Direktor der Abteilung für Kardiologie und Intensivmedizin in den Vivantes-Kliniken Am Urban und im Friedrichshain.
taz: Professor Andresen, wie legt sich ein Herzkatheter bei Außentemperaturen von derzeit 29 Grad?
Dietrich Andresen: Ausgezeichnet. Wir arbeiten unter günstigen klimatischen Bedingungen. Die Raumtemperatur im OP-Bereich liegt bei 20 Grad.
Sind Menschen, die in nicht klimatisierten Räumen arbeiten, bei der momentanen Hitze noch voll leistungsfähig?
Gesunden Menschen tut die Wärme keinen Abbruch. In den ersten Tagen einer Hitzewelle gibt es das Phänomen, dass sich der Mensch angestrengt und schlapp fühlt. Insbesondere wenn die Hitze mit hoher Luftfeuchtigkeit einhergeht. Aber daran gewöhnt man sich. Jeder, der schon mal länger nach Süditalien oder Afrika gereist ist, kennt das. Nach ein, maximal zwei Wochen hat sich der Körper den klimatischen Bedingungen gut angepasst.
Wie verläuft so ein Anpassungsprozess?
Der Körper braucht ziemlich viel Energie, um die Wärme wieder abzugeben. Das geschieht durch Schwitzen. Wenn sich der Körper akklimatisiert hat, normalisiert sich der Energieverbrauch wieder.
Sollten Kinder bei hohen Temperaturen aus gesundheitlichen Gründen hitzefrei bekommen?
Ich sehe dafür keinen Grund, außer dass Hitzefrei für Kinder eine Gaudi ist. Bei 25 Grad kann man in aller Regel noch Unterricht machen. Die meisten Schulen sind ja auch so gebaut, dass die Temperaturen im Klassenraum erträglich sind.
Welche Bevölkerungsgruppen leiden am meisten?
Menschen, die herz- und kreislaufkrank sind, sind besonders belastet. Dazu reicht es schon, einen hohen Blutdruck zu haben. Die Folgen können Schwindelerscheinungen und ein allgemeines Schwächegefühl sein. Dass die Hitze solche Menschen anfälliger für einen Herzinfarkt macht, halte ich aber für eher unwahrscheinlich. Das Beste, was diese Patienten tun können, ist: sich in kühlen Räumen aufhalten und viel trinken.
Und gesunde Menschen?
Für die habe ich eigentlich keine Tipps. Gesunde Leute müssen nicht ständig mit einer Trinkflasche durch die Gegend laufen. Das ist ja schon fast zu einer Marotte geworden. Wenn der Körper Durst hat, meldet er sich schon. Selbst viele 70-Jährige sind heutzutage körperlich noch so fit, dass ihr Durstzentrum gut funktioniert.
In den Zeiten des Klimawandels kommt auf uns Menschen aber noch einiges zu.
Unabhängig von der politischen Bewertung des Klimawandels ist der Mensch vermutlich das einzige Lebewesen, das sich den veränderten Bedingungen unglaublich gut anpassen kann. Es gibt nur eine Kreatur, die dazu noch besser in der Lage ist.
Und die wäre?
Die Ratte. Egal ob es sich um das Leben in der Wüste, in Dürreregionen unter Lärm- oder Staubbedingungen handelt: Wenn überhaupt, sind es immer der Mensch und die Ratte, die überleben. Damit will ich aber nicht sagen, dass wir mit der Umweltzerstörung so weitermachen sollten wie bisher.
INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE