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Archiv-Artikel

Der Maler, der Regisseur und ihre Muse

SONNIG In „Renoir“ erzählt Gilles Bourdos davon, wie der Maler Auguste Renoir und sein Sohn Jean in einer lichtdurchfluteten Sommer-Idylle von einer jungen Frau jeweils zum letzten und ersten Werk inspiriert wurden

VON WILFRIED HIPPEN

Das Malen tut ihm weh. Pierre-Auguste Renoir leidet unter Arthritis und er hat kaum genug Kraft in den Händen, um den Pinsel zu halten. Er wird in seinem Tragsessel von einer Gruppe Frauen im Haus oder durch die Landschaften getragen, in denen er mit Mühen weiter malt. Überhaupt scheinen abgesehen von seinen Söhnen nur Frauen um ihn zu sein. Dienstmägde, alte Freundinnen, verflossene Liebschaften – sie bilden eine starke, verschworene Gemeinschaft, die dem alten Maler treu zu Diensten ist.

So lebt er 1915 in seinem paradiesisch wirkenden Anwesen an der Côte d’Azur, und so lernen wir ihn auch zusammen mit einer jungen Frau kennen, die in der Anfangssequenz mit dem Fahrrad durch die sonnigen Feldwege zu Renoir fährt. Sie will ihm Modell stehen, und zusammen mit ihr treten auch wir ein in diese sommerliche, märchenhafte Idylle, die wir von den Gemälden Renoirs kennen. „Ich male schöne Bilder, weil es genug Hässliches auf der Welt gibt“, sagt er einmal und auch in dem Film „Renoir“ gibt es kein hässliches Bild – draußen herrscht zwar der Erste Weltkrieg und Renoir leidet sichtlich an seinen Gebrechen und dem Tod seiner Frau.

Doch der Kameramann Ping Bin Lee, der schon Wong Kar Wais „In the Mood for Love“ in romantischer Schönheit schwelgen ließ, hat hier zwar nicht versucht, Renoirs Pastelltöne mit der Kamera nachzuahmen, aber er schaut mit einem ähnlich genauen Blick auf diesen sommerlichen, sehr französischen Mikrokosmos.

Die junge Frau, mit der wir in diese Welt eingetreten sind, wird den müden alten Mann zu seiner letzten, großartigen Schaffensperiode inspirieren. Nicht nur die Schönheit, sondern auch der Eigensinn der rothaarigen Andrée beeindruckt den Künstler. Sie steht ihm nicht passiv Modell, sondern bewegt sich, sie posiert nicht, sondern ist stattdessen immer mit großer Intensität sie selber. Sie wird auch nie so uneingeschränkt Teil der Gemeinschaft wie die anderen Frauen, und das macht sie auch für den Sohn Jean interessant, der verletzt vom Kriegseinsatz zur Familie zurückkehrt, und am liebsten gleich wieder zurück an die Front will. Wie Andrée ist er ein begeisterter Kinogänger, doch noch hat er keinerlei Ambitionen, selber einmal Filme zu machen.

Bourdos erzählt nun nicht etwa mit einer Reihe von dramaturgisch bedeutsamen Szenen, wie Andrée die beiden Renoirs zu ihren jeweils letzten und ersten Werken inspirierte.

Er ist eher an Stimmungen als an autobiografischen Erzählungen interessiert, und so ist „Renoir“ eher eine Ansammlung von Momenten als ein Drama. So bildet ein Ausflug der Großfamilie Renoir zu einem Picknick in einer versteckten Flussbiegung das Kernstück des Films und wenn eine Windböe dabei alles durcheinander bringt, sieht man die Freunde darüber auf dem Gesicht des alten Renoirs, denn genau um solche Augenblicke geht es in seiner Kunst.

Für ihn ist „unsere Existenz wie ein Korken, der in der Strömung des Lebens treibt“, und Bourdos wird diesem Motto gerecht, indem er weitgehend auf den Rahmen einer traditionellen Dramaturgie verzichtet.

Stattdessen folgt Sommertag auf Sommertag und die langen Abende können auch ein wenig einschläfernd wirken. Fast unmerklich sind dem alten Renoir am Ende des Sommers und des Films seine letzten großen Gemälde gelungen und sein Sohn hat sich dazu entschieden, Filme zu machen.

Andrée wird unter dem Pseudonym Catherine Hessling einige Jahre lang seine Hauptdarstellerin sein und nach ihrer Trennung wird man sie vergessen, während Jean Renoir so berühmt wie sein Vater wird.