■ Wahlen in Nord-Zypern bestätigen Rauf Denktasch: Der Lockruf des Wohlstands
Er hat es noch einmal geschafft. Rauf Denktasch, 71jähriger Präsident des Phantomstaats „Türkische Republik Nordzypern“ ist wiedergewählt. Immerhin 62 Prozent der türkischen Zyprioten sprachen sich für den Pascha von Nikosia aus. Alles beim alten also?
Nicht ganz. Denn auf Denktasch und seinen international nicht anerkannten Zwergstaat kommen schwere Zeiten zu. Innenpolitisch haben die Wahlen dokumentiert, daß der „Staatsgründer“ mehr und mehr unter Druck gerät. Die linken Kandidaten Özgür und Akinci schieden zwar schon im ersten Wahlgang aus, doch zusammen erreichten sie immerhin rund 38 Prozent der Stimmen. Rechts außen wiederum profilierte sich Denktaschs Intimfeind Derwisch Eroglu. Seit mehr als zehn Jahren verfolgt Denktasch eine Politik der Eigenständigkeit, mit der er nicht vorankommt – kein Land außer der Türkei hat Nord-Zypern anerkannt. Zugleich ließ er die Verhandlungstür für die Gründung eines gemeinsamen Bundesstaats mit den griechischen Zyprioten immer einen winzigen Spalt offen. Diese Politik hat den türkischen Zyprioten in den letzten Jahren nur Verarmung und wirtschaftliche Isolation eingebracht. Die Alternativen sind klar: Radikale Nationalisten propagieren einen Anschluß an die Türkei. Linke Kräfte befürworten ein gemeinsames Zypern mit den griechischen Nachbarn. Denktaschs Schaukelpolitik verliert an Boden.
Außenpolitisch hat seine nationalistische Position nur Schaden angerichtet. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs sind die Exporte Nord-Zyperns in die EU faktisch verboten. Damit hängt Denktaschs Gänsefüßchenstaat noch stärker am Tropf Ankaras, die wirtschaftliche Talfahrt wird sich noch beschleunigen. Dabei sind die Alternativen verlockend. Die Republik Zypern wird bei einer angestrebten Mitgliedschaft in der Europäischen Union weiter prosperieren. In einem gemeinsamen Bundesstaat könnten auch die türkischen Zyprioten profitieren. Schon in den letzten zwanzig Jahren sind die türkischen Zyprioten immer ärmer, die griechischen immer wohlhabender geworden. Bleibt Denktasch bei seiner Politik, wird die Luft für ihn dünn werden.
Nur mit dem Mäntelchen des Nationalismus lassen sich keine Orangen verhökern. Allerdings: Auch anderswo ist es Staatslenkern schon gelungen, Phrasen als Kalorienersatz zu verkaufen. Doch auf Zypern lauert der Wohlstand nur um die Ecke. Fünzig Meter südlich der „Türkischen Republik Nordzypern“ verdient der Durchschnittsbürger viermal mehr. Es liegt an Denktasch, die Lebensverhältnisse der türkischen Zyprioten zu verbessern. Klaus Hillenbrand
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